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Kapitel 8:

Schwarze Löcher als Tore ins Nirgendwann


Eine zentrale Aussage der Theorie Einsteins ist, dass sich die geometrischen Eigenschaften des Raumes durch die Gravitationskräfte mit dem Ablauf der Zeit verbinden. Einstein entwickelte in der Allgemeinen Relativitätstheorie Gleichungen, die den komplexen Zusammenhang von Masse, Gravitation, Energie, Raum und Zeit darstellen. Aus diesen Gleichungen versuchen die Physiker Modelle der physikalischen Realität zu gewinnen. Die Gleichungen fordern, dass in der Nähe von Massen mit einer hohen Dichte starke Gravitationskräfte auftreten, die sowohl den Raum als auch die Zeit verändern.

Dabei stellt sich die interessante Frage, was passiert, wenn die Massendichte lokal stark zunimmt. Aus den Einsteinschen Gleichungen ergibt sich für jede Masse ein kritisches Volumen, das durch den sogenannten Gravitationsradius begrenzt wird. Nimmt die Masse einen Raum ein, der kleiner ist als ihr Gravitationsradius, kann sie nicht mehr stabil bleiben. Die intern wirkenden Gravitationskräfte ziehen die Teilchen der Masse auf ihren Mittelpunkt zusammen. Aus den Gleichungen folgt weiter, dass in diesem Fall der gravitative Zusammenbruch der Masse unaufhaltsam ist. Je größer die Masse, desto größer ist auch der zugehörige kritische Gravitationsradius. Für die Sonne beträgt der kritische Radius 2.9 km, für unsere Erde dagegen etwas weniger als 1 cm. Das Bild von der ungeheure Masse der Erde, die in einem Fingerhut verpackt ist, darf mit Recht als mathematisches Phantasiegebilde bezeichnet werden. Es ist kein physikalischer Mechanismus vorstellbar, der die Erdmasse auf die Größenordnung von Zentimetern zusammendrücken könnte.

Allerdings vermuten die Astronomen, dass bei bestimmten kosmischen Objekten extreme Massenzusammenbrüche auftreten, in denen die Ausdehnung der Masse unter den Gravitationsradius fällt. Die Astrophysiker haben festgestellt, dass Sterne einen Entwicklungsprozess durchlaufen, an dessen Ende ein Zusammenbruch der Sternmaterie steht. Unter bestimmten Bedingungen kann dieser Kollaps dazu führen, dass die Masse auf einen so kleinen Bereich zusammengedrängt wird, dass die Gravitation den Zusammensturz beschleunigt und weiter verstärkt. Dies führt schließlich dazu, dass sich die gesamte Masse eines Sternes auf einen winzigen Bereich zusammenzieht, der unaufhörlich kleiner wird und dessen Dichte auf einen unendlichen Wert hinläuft. Diesen Endpunkt des gravitativen Zusammenbruchs eines Sterns bezeichnet man als eine Singularität. Ein Stern, der zu einer Singularität zusammengestürzt ist, nennt man auch "Schwarzes Loch". Schwarz deshalb, weil selbst das Licht in dieser Singularität verschwindet, vollständig aufgesaugt von der gewaltigen Gravitationskraft des Zentrums. Da keine Reflexion stattfindet, kann das auftreffende Licht niemals in das Auge des Betrachters zurückzukehren. Die Bezeichnung Loch ist ebenfalls suggestiv, da sich diese merkwürdige Singularität kaum noch als Punkt des Raumes bezeichnen lässt. Der Raum hat einen Riss bekommen. Die Singularität eines Schwarzen Lochs wird durch einen besonderen Horizont vom restliche Universum geschützt. Jedes Objekt das diesen Horizont überschreitet, ist für das Universum unrettbar verloren und stürzt unaufhaltsam in die Singularität.

In diesem Loch können beliebige Körper aus unserem Universum einfach aus ihrer Existenz herausfallen. Das Schwarze Loch wirkt wie ein kosmischer Staubsauger. Es zieht durch seine starken Gravitationskraft alle Massen, Partikel und Strahlungen in seiner Nähe an und lässt sie hinter einem schwarzen Vorhang verschwinden. Keine Kraft der Welt kann irgend ein Teilchen aus dem kritischen Horizont herausbringen, der die Singularität umgibt. Mit dem Verschwinden in einem Punkt hat sich die kollabierte Masse vom Rest des Universums für immer verabschiedet.

Wie wir bereits wissen, läuft die Zeit unter dem Einfluss starker Gravitationskräfte langsamer ab. Im Außenraum dehnt sich die Zeit, je näher man an den Horizont heranrückt. Für zwei Beobachter, der eine im entfernten Außenraum und der zweite in der Nähe des Schwarzen Loches, ergeben sich bei der gegenseitigen Beobachtung sehr unterschiedliche Raumzeitverhältnisse. Ein Schwarzes Loch im Prozess des Werdens würde für einen entfernten Beobachter ein merkwürdig abgebremstes Verhalten zeigen. Die entstehenden Gravitationskräfte verschieben die vom Stern ausgesendeten Lichtwellen nach und nach in den roten Bereich. Die weglaufenden Lichtsignale des Sternes werden durch Gravitationswirkungen auch zeitlich verzögert. Die Informationen vom Zusammenbruch brauchen mehr und mehr Zeit, um bei dem entfernten Beobachter im normalen Außenraum anzukommen. Schließlich beträgt die Verzögerungsdauer Dauer Millionen von Jahren. Tatsächlich wird der entfernte Beobachter niemals sehen, dass der Stern schwarz wird. Das Verlöschen des Sternes hinter dem Gravitationsradius würde für den entfernten Beobachter unendlich lange dauern. Kompetente russische Astronomen bezeichnen die Schwarzen Löcher auch als "Gefrorene Sterne".

Für einen anderen Beobachter in der Nähe des kritischen Horizontes sehen die Ereignisse völlig anders aus. Er sendet regelmäßig seine Lichtsignale aus, die Zeit verläuft für ihn und in seiner nahen Umgebung normal. In der Eigenzeit des Reisenden, der sich im Raumschiff den Horizont näher, ist das Erreichen, ebenso wie das Durchqueren des Horizontes, kein zeitliches Problem. Allerdings wird der Reisende die Beobachtung machen, dass die Prozesse im äußeren und entfernten Universum immer schneller ablaufen. Kurz bevor der lokale Beobachter den Ereignishorizont erreicht hat, wird er vielleicht noch wahrnehmen können, dass das ganze Universum im Außenraum des Horizontes seine zeitliche Existenz beendet hat. Alle seine ausgesendeten Botschaften können den in einer Ewigkeit von Zeit verschwundenen Außenraum nicht mehr erreichen, sie drehen sich um und stürzen mit ihm in das Zentrum des kollabierten Sternes.

In jedem Fall ist die Reise eines Beobachters zum Horizont eines Schwarzen Loches extrem gefährlich. Die dort vorhandenen Gezeitenwirkungen der Gravitationskräfte sind so stark, dass sie jede kompakte Masse in atomare Teilchen zerreißen. Und falls es dem Beobachter gelingen sollte, den Horizont unbeschadet zu durchqueren, wird er sich in ungewöhnlichen und äußerst seltsamen Raumzeitverhältnissen wiederfinden. Beim Übergang in das Innere des Schwarzen Loches bekommen Raum und Zeit hinter dem Horizont völlig andere Qualitäten. Außerhalb des Horizonts können wir uns im Raum frei bewegen; uns stehen alle Richtungen offen. Im Außenraum werden wir mit der Zeit, ob wir es wollen oder nicht, zwangsläufig in die Zukunft bewegt. Im Inneren eines Schwarzen Lochs ist es genau umgekehrt. Der Raum ist einsinnig, nichts kann die Bewegung in die Richtung der Singularität aufhalten. Der Raum zieht sich zwanghaft auf die Singularität zusammen. Dagegen verliert die Zeitdimension innerhalb des Ereignishorizonts ihren einsinnigen Verlauf. Beim Absturz in die Singularität können wir uns in gewissen Grenzen in der Zeitdimension vorwärts und rückwärts bewegen. Wie dies psychologisch zu interpretieren ist, bleibt vorerst ein ungelöstes Rätsel. Hinter dem Horizont gibt es leider keine Möglichkeit mehr, persönliche Eindrücke an den Rest des Universums weiterzugeben. Der wagemutige Beobachter ist endgültig und unwiderruflich von der normalen Raumzeit ausgeschlossen.

Es konnte weiter gezeigt werden, dass die gekrümmte Raumzeit der Schwarzschildmetrik eine Art Tunnel in der Raumzeit bildete, dessen zweites Ende offen schien. 1935 interessierten sich Albert Einstein und sein Kollege Nathan Rosen für das lose Ende der Schwarzschildmetrik. Sie wiesen in einem gemeinsamen Papier nach, dass sich an das offene Ende des Tunnels eine zweite, euklidisch flache Raumzeit anschließen lässt. Die fast punktförmige Masse mit ihrem zugehörigen Gravitationsradius repräsentiert den engsten Teil des Tunnels, der zwei Raumzeiten oder zwei verschiedene Universen miteinander verbindet. Diese Interpretation der Schwarzschild-Lösung ist auch als Einstein-Rosen-Brücke bekannt. Das Innere des Ereignishorizontes verdreht also nicht nur unsere Alltagsvorstellungen von Zeit und Raum, sondern es enthält auch einen mysteriösen Ausgang aus unserer Raumzeit, ein seltsames Tor ins Nirgendwann. Die beiden Universen, die das Schwarzes Loch verbindet, haben notwendig gegenläufige Zeitordnungen. Ist in unserem Universum I ein Schwarzes Loch existent, so liegt unsere Zukunft für potentielle Bewohner des anderen Universums II in deren Vergangenheit. Die Bewohner von Universum II beobachten daher ein sogenanntes Weißes Loch. Der Physiker Hawkings bezeichnet das Weiße Loch als eine Zeitumkehr des Schwarzen Loches oder als Antikollaps.

Indem das Loch eine Vergangenheitssingularität und eine Zukunftssingularität gleichzeitig umfasst, verknüpft es die Zukunft des einen mit der Vergangenheit des anderen Universums. Obwohl Weiße Löcher als Lösungen spezieller Einstein-Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie in Frage kommen, ist die Möglichkeit ihrer Existenz im realen Universum nicht sehr wahrscheinlich. Die Ursache dafür liegt in der Art und Weise, wie Sterne in unserem Universum in Schwarze Löcher kollabieren. Es kann sich im Kollaps nur eine zukünftige Singularität ausbilden. Es scheint so, als ob unsere Raumzeit zwar Türen ins Nirgendwann und Irgendwo besitzt, allerdings nur Ausgänge und keine Eingänge.

Über die Bedeutung des fremden Universums gab es in der Folge unterschiedliche Interpretationen. Es ist denkbar, dass die andere Raumzeit nur einen entfernten Teil unseres eigenen Universums darstellt. In diesem Fall existieren Abkürzungen zwischen Punkten der Raumzeit, die außerhalb des normalen Raumes verlaufen. Für den phantasiebegabten Laien stellt sich die Frage, ob auch Makroobjekte, also auch Raumschiffe, durch das Schwarze Loch in das fremde Universum hinüberwechseln können. Leider ist die Einstein-Rosen-Brücke nur für eine extrem kurze Zeitspanne offen. Der Durchgang öffnet sich vom Radius Null bis zu einem maximalen Durchmesser und stürzt dann wieder auf den Radius Null zusammen. Dies geschieht so schnell, dass noch nicht einmal ein Objekt mit Lichtgeschwindigkeit von der einen zur anderen Öffnung passieren könnte. Um in das andere Universum zu gelangen, müssten Überlichtgeschwindigkeiten angewendet werden. Massepartikel, die die Lichtgeschwindigkeit überschreiten, sind jedoch durch Grundprinzipien der Relativitätstheorie verboten. Es ist keine Wechselwirkung denkbar, die den Tunnel des Schwarzen Lochs vom Schwarzschild-Typus passieren könnte. Daraus folgt, dass kausale Wirkungen in das jeweils andere Universum physikalisch nicht erlaubt sind.

Abgesehen von diesem unüberwindbaren Problem, ist nicht geklärt, ob die Einstein-Rosen-Brücke in ein völlig fremdes Universum oder in einen entfernten Teil unseres Universums führt. Der Ausgang aus unserer lokalen Raumzeit im Schwarzen Loch führt zu mehreren denkbaren Alternativen:
1. In einen weit entfernten Teil unseres Universums (in der Vergangenheit)
2. In einen weit entfernten Teil unseres Universums (in der Zukunft)
3. In den Raumzeitbereich des Ausgangspunktes zu einer anderen Zeit
4. In ein paralleles Universum gleicher Bauart
5. In ein Universum mit veränderten Naturgesetzen
6. In einen Bereich, den unsere phantasievollsten Vorstellungen noch
nicht erfasst haben,ins Nirgendwann

So sind z.B. Materie und Energie, die beim Big Bang in eine völlig andere Richtung mit Lichtgeschwindigkeit davongeflogen sind, ebenfalls hinter einem Horizont verborgen, den wir niemals durchdringen können. Dieser Teil des zum Big Bang gehörenden Universums ist von uns kausal abgeschnürt. Es gibt keine eindeutigen physikalischen Hinweise auf das fremde Universum, außer, dass es theoretisch vorhanden ist. Bewohner des fremden Universums können ebenso wie wir keine Signale herüberschicken, um über den Zustand ihres Universum zu berichten. Allerdings gibt es eine Chance, die Informationen aus dem fremden Universum zu bekommen, aber um welchen Preis. Hinter dem Ereignishorizont des Schwarzen Lochs ist es möglich, dass sich Vertreter beider Universen treffen. Nach einem kurzen Austausch ihrer Informationen müssen beide zwangsläufig in die zerstörerische Singularität abstürzen. Es gibt keine Möglichkeit, ihren kurzfristigen Gewinn an wertvollen Informationen über den Ereignishorizont hinweg weiterzugeben.

Der Endzustand eines kollabierten Sterns, das Schwarze Loch, hat nur wenige Eigenschaften, die im Außenraum als physikalische Größen interpretiert werden können. Die bisher gefundenen Lösungen der Allgemeine Relativitätstheorie lassen sich durch maximal drei Parameter charakterisieren: Masse, Drehmoment, Ladung. Wie es der Astrophysiker John Wheeler ausdrückt, ein Schwarzes Loch hat keine Haare. Ebenso wie man von der Glatze eines Kindes kaum Rückschlüsse auf die Haarfarbe der Eltern ziehen kann, ist die Haarlosigkeit des Schwarzen Lochs ein Bild für die Tatsache, dass man niemals feststellen kann, welche Form von Materie in der Singularität zusammengestürzt ist. Der Ereignishorizont verhindert, dass wir mehr sehen können als eine "haarlose Glatze". Der Endzustand eines Schwarzen Loches hat die geringste Struktur, die mit den Erhaltungssätzen von Energie, Ladung und Drehimpuls verträglich ist. Damit lassen sich für ein Schwarzes Loch vier theoretische Hauptfälle unterscheiden.
1. ungeladen, nicht-rotierend
2. geladen, nicht-rotierend
3. ungeladen, rotierend
4. geladen, rotierend
Es stellt sich die Frage, ob das sogenannte "No-Hair-Theorem" allgemeingültig ist. Kann es Singularitäten geben, die keinen Ereignishorizont bilden, so dass wir auf eine "nackte Singularität" blicken? In diesem Fall würden entfernte Beobachter Wirkungen direkt aus der nackten Singularität wahrnehmen können; ein Beobachter könnte sehen, wie die Gesetze der Physik in der nackten Singularität zusammenbrechen. Er wird bei den dort herkommende Wirkungen feststellen können, die sich prinzipiell nicht vorhersagen lassen.

Um dieses äußerst destruktive Resultat zu vermeiden, wurde die These vom kosmischen Zensor aufgestellt. Das Prinzip des kosmischen Zensors lässt die Existenz von nackten Singularitäten nicht zu, obwohl sie als Lösungen der Einstein-Gleichungen auftauchen. Die kosmische Zensur der Natur schützt den außerhalb des Horizonts stehenden Beobachter vor den unvorhersehbaren Effekten der Quantengravitation, die innerhalb des Horizonts an Bedeutung gewinnen. Über den Beobachter, der den Ereignishorizont bereits durchquert hat, besitzt der kosmische Zensor keine Gewalt. Der Innenbeobachter sieht direkt auf eine Singularität, die nackt ist.

Die Physiker vermuten, dass bei starken Raumkrümmungen und extremen Materiedichten unvorhersehbare Quanteneffekte auftreten. Einige Physiker wären überhaupt nicht verwundert, wenn sich dort Fernsehapparate, Einhörner und Segelschiffe kurzfristig manifestieren. Es wurde allerdings theoretisch nachgewiesen, dass ein Verbot der nackten Singularitäten nicht aus den Energiegleichungen oder dem Kausalitätsprinzip gefolgert werden kann, so dass diese Hypothese keine starke Notwendigkeit besitzt. Die klassische Relativitätstheorie kann nicht verwendet werden, um das singuläre Geschehen innerhalb des Ereignishorizontes zu erklären. In diesem Sinne sagt die Theorie ihren eigenen Zusammenbruch voraus.

Der kosmische Zensor überlässt das singuläre Geschehen teilweise der Quantenphysik und breitet über den Rest den Mantel des Vergessens. Geschützt durch den kosmischen Zensor haben sich die Theoretiker mit den Schwarzen Löcher weiter auseinandergesetzt und die unterschiedlichen Raumzeitverhältnisse der Fälle (1) - (4) ausführlich analysiert. Für eine Schwarzes Loch mit Ladung haben die Astrophysiker Reissner und Nordström eine Lösung der Einsteingleichungen gefunden und untersucht. Die Reissner-Nordström-Lösung für ein Schwarzes Loch mit Ladung enthält Öffnungen, die in eine unendliche Anzahl von assoziierten Universen führen. Darüber hinaus konnte in dieser speziellen Lösung bewiesen werden, dass Wirkungen in die anderen Universen übergehen können, so dass sie für uns im Prinzip erreichbar sind.

Die Kerr-Lösung für ein Schwarzes Loch erhielt ihren Namen von dem neuseeländischen Physiker Roy Kerr. Im Jahre 1963, viele Jahre nach den ersten theoretischen Überlegungen von Karl Schwarzschild, veröffentlichte Roy Kerr seine mathematische Analyse für ein rotierendes Schwarzes Loch. Er enthüllte weitere, äußerst bizarre Eigenschaften einer verdrehten Raumzeit. Wie die Reissner-Nordström Lösung besitzt die Kerr-Lösung zwei Ereignishorizonte und Ausgänge in viele fremde Universen. Es existieren ebenfalls zeitartige Weltlinien, die hinter den Horizonten verschwinden und den Absturz in die Singularität vermeiden können. Die Singularität ist ringförmig angeordnet und besitzt ein Zentrum, in dem weder Masse noch Raumkrümmung unendliche Werte annehmen können. Die Kerr-Analyse beschreibt auch die Möglichkeit eines Durchgangs durch das Zentrum des Schwarzen Lochs in einen negativen Raumzeitbereich. Aus den Gleichungen folgt, dass es dort Entfernungen mit negativer Länge gibt. Was immer man sich darunter vorstellen darf, dieser Bereich ist eine im höchsten Grade verkehrte Raumzeit. Die Gravitationskraft wirkt im Negativraum abstoßend und ein Raumzeitreisender bewegt sich dort rückwärts in der Zeit. Bei der theoretisch möglichen Rückkehr aus dem Negativraum ist der Eintritt in die ursprüngliche Raumzeit, wie bei der Reissner-Nordström-Lösung, verboten. In diesem Fall wird die Reise in einem anderen Teil eines fremden Universums fortgesetzt.

Hier öffnet sich die Tür für unbeschränkte Spekulationen. Ein Reisender mit Ambitionen für eine Zeitreise dieser Art, sollte sich daher vor Antritt der Reise überlegen, welche existentiellen Probleme mit der negativen Raumzeit verbunden sind. Darüber hinaus ist die Mitnahme einer Liste aller potentiell mit der Singularität des Kerr-Lochs verbundenen Universen zu empfehlen. Die Verhältnisse sind so verwirrend, dass man niemals sicher sein kann, wohin und wann die Reise aus dem Kerrloch herausführt. Für den Fall, dass das Kerr-Loch eine hinreichend schnelle Rotation aufweist, ist es sogar denkbar, dass der Ereignishorizont zerstört wird. Bei geeignet starker Rotation bleibt eine nackte ringförmige Singularität übrig. Das negative Universum auf der anderen Seite des Rings könnte dann mit Teleskopen beobachtet werden. Außerdem ist in diesem Fall die Reise aus unserem Universum in das negative Universum umkehrbar. Da beim Aufenthalt "Drüben" die Zeit rückwärts verläuft, erfolgt die Rückkehr in das eigene Universum zu einer Zeit, die vor dem Zeitpunkt der Abreise liegt.

Kein Wunder, dass einige Physiker zu schnell rotierenden Schwarze Löcher für unerwünschte mathematische Spielereien halten und sie aus unserem Universum verbannt sehen wollen. Die mathematische Analyse eines rotierenden und geladenen Schwarzen Lochs durch die Mathematiker Kerr und Newman addiert zu den schon vorhandenen Eigenschaften der anderen Lösungen eine für praktische Zeitreisen günstige Option hinzu. Dort existieren Wege, die nicht durch die Ringsingularität in die problematische Negativraumzeit laufen müssen, um die Zeit rückwärts vergehen zu lassen. Die Newman-Kerr-Lösung erlaubt die Rückwärtsreise in der Zeit auch im positiven Raum. Die Eignung geladener und rotierenden Schwarzen Löcher als potentielle Zeittore wird von der Allgemeinen Relativitätstheorie nicht bestritten; die Frage ist nur, ob die Natur nicht andere Einschränkungen besitzt, die derartige Verhältnisse ausschließen, was einige Physiker mehr oder weniger hoffnungsvoll vermuten. Allerdings bezweifeln kompetente Astrophyiker die reale Existenz von elektrisch geladenen Schwarzen Löchern in unserem Universum. Sie vermuten, dass jede Ladung des Lochs recht schnell durch elektrische Ströme, nämlich die Akkretionsflüsse (Akkretion bezeichnet den Prozess, bei dem Materie von einem Schwarzen Loch aufgesammelt wird) neutralisiert wird.

In jedem Fall streiten die Physiker weiterhin darüber, welche weiterführenden, theoretischen Konsequenzen sich aus den genannten Modellen über Schwarze Löcher ergeben. In fast allen Fällen zeigte die Theorie, dass sich bei den "Brücken" in andere Raumzeiten extrem schwierige physikalische Bedingungen für potentielle Raumfahrer ausbilden. Die Passierbarkeit für normale Materie, d.h. auch für menschliche Wesen, wird von äußerst destruktiven Nebenwirkungen bedroht. Die gravitativen Wirkungen und Quantenvakuumsfluktuationen in der Nähe von Singularitäten zerstören jede Form von strukturierter Materie. Die auftretenden Strahlungen, Gravitationskräfte und quantenhafte Instabilitäten machen den Aufenthalt in der Nähe eines Schwarzen Lochs extrem ungemütlich. Einige Physiker vermuten daher, dass der dramatische Zuwachs der Quantenfluktuationen bei sehr kleinen Distanzen sogar das Entstehen der Singularität selbst verhindern kann.

Gegenwärtig wartet die Physikergemeinde noch auf eine umfassende Lösung der Einsteinschen Relativitätsgleichungen, die verträglich mit den realen Beobachtungen und Fakten in unserem Universum ist. Bisher haben die Physiker ihre Modelle unter sehr vereinfachten Annahmen entwickelt. Vielleicht lassen sich mit Supercomputern realistische Modelle berechnen, die geschlossenen Kurven der Zeit unter viel günstigeren Bedingungen zulassen, als es die destruktiven Singularitäten der Schwarzen Löcher erlauben. Leider hat die Theorie der Schwarzen Löcher zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch zu viele ungelöste Probleme und lässt einen nur kleinen Hoffnungsschimmer für praktische Zeitreisen via Schwarzes Loch.




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