••  Chronolytisches Studio ••   Das chrononautische Wissen in unserer Zeit
 
Kapitel 1:

Der Traum von der Beherrschung der Zeit


Das Verstreichen der Zeit ist etwas, das allen Menschen vertraut ist; es äußert sich in all unseren Erfahrungs- und Wissensbereichen. Wir haben uns im täglichen Leben an den sicheren Umgang mit der Zeit gewöhnt. Trotzdem geraten wir in große Schwierigkeiten, wenn wir erklären sollten, was die Zeit ist. Philosophen aller Zeiten haben mit dem Problem Zeit gerungen und bis heute keine allgemein überzeugende Erklärung finden können. Was auch immer die berühmten Denker und Wissenschaftler über das Phänomen der Zeit und ihre zugehörige Dimension sagen oder gesagt haben, sie haben dem Menschen auch nicht erklären können, warum er dem Zugriff der Zeit so merkwürdig zwanghaft ausgesetzt ist. Die bewusste Gegenwartsdauer des Menschen umfasst nur wenige Sekunden. Dabei bewegt sich dieser Moment der Gegenwart unaufhaltsam vorwärts, und zwar in eine Richtung, die wir Zukunft nennen. Homer soll einmal gesagt haben, dass die Gegenwart wie die Schneide eines Messers ist, zu unbequem, um darauf sitzen zu bleiben. Während wir uns im Prinzip in einer räumlichen Dimension frei bewegen können, sowohl vorwärts als auch rückwärts, ist uns die freie Beweglichkeit in der Zeitdimension verwehrt. Wir können unsere Vorwärtsbewegung in der Zeit weder umkehren noch anhalten. Der Zeitstrom ist ein Fluss ohne Wiederkehr. Wir haben zwar eine Erinnerung an vergangene Ereignisse, doch die ist nur ein blasses Abbild der direkten Wahrnehmung. Auch steht es unserer Imagination frei, sich auszumalen, was die Zukunft für uns bereithält. Doch in der Regel kommt es immer anders, als wir es uns vorstellen oder überhaupt vorstellen können.

Seit jeher interessiert die Menschen die Zukunft - vor allem die eigene. Was wird morgen passieren? Das Verlangen, ein wenig von der Zukunft zu erfahren, hat die Menschheit seit Jahrtausenden erfüllt. In einer Welt, in der Ereignisse aus der Zukunft manchmal wie Katastrophen über uns hereinbrechen, unvorhersehbar und überraschend, fühlen wir uns unsicher und dem Schicksal ausgeliefert. Die tiefliegende Angst vor einer oft ungewissen Zukunft hat die Menschen aller Zeiten und Kulturen dazu motiviert, spezielle Techniken der Zukunftsschau zu entwickeln. Es wurden Methoden erfunden, von denen man glaubte, dass sie geeignet wären, der Zukunft ein paar Informationen abzutrotzen :

a) Astrologie: Beobachtung und Deutung von Planetenkonstellationen
b) Kartenlegen: Tarotkarten und ihre Symbole
c) Hellsehen: Das Hineinsehen in eine Kristallkugel
d) Zufallsmuster: Anordnungen von Schafgarbestengeln, Würfeln und Münzen
e) Die Eingeweideschau bei Opfertieren
f) Die Deutung des Vogelflugs
g) Durch psychoaktive Substanzen induzierte Visionen


In Notzeiten traten oft Propheten und Seherinnen auf, die Antworten auf drängende Fragen über die Zukunft gaben und sich dabei auf eine höhere, überirdische Quelle beriefen. Oft war nicht klar, mit welcher Sicherheit ihre Worte den Gang der Ereignisse voraussagten. Sowohl die Prophetenworte als auch die Resultate der Divinationstechniken waren oft unverständlich, geheimnisvoll und vieldeutig. Es mussten professionelle Deuter bemüht werden, die die Hinweise des Schicksals für die Menschen verständlich machten. Viele der einst hoch geschätzten Resultate der Zukunftsschau sind heute im Dickicht zweifelhafter Überlieferungen, verfälschter Lehren und schlecht dokumentierter Berichte verlorengegangen und die moderne Wissenschaft hat kein Interesse diese uralten Traditionen der Zeitüberwindung wiederzubeleben. Nach eingehender Prüfung hat sie diese traditionellen Methoden der Zukunftsvorhersage als subjektiv, unzuverlässig und unkontrollierbar verworfen. Orakel, Prophezeiungen, Hellsehen und Reinkarnationsrückführungen wurden der zweifelhaften Aura der Esoterik zugeordnet und galten als unwissenschaftliche Äußerungen fehlgeleiteter Wissenssucher. Oft ist es für die etablierten Wissenschaftshüter ein leichtes Spiel, angeblich außersinnliche Wahrnehmungen zu widerlegen. Wenn nicht absichtlicher Betrug nachzuweisen ist, so werden oft unbewusste Täuschungen, Erfüllungszwang, Wunschdenken und verfehlte Methodik als Grundursache angeführt

Die nachweisbare Tradition von Menschen, die sich mit dem Blick in die Zukunft beschäftigen, ist trotz der eindeutig negativen Beurteilung durch die modernen Wissenschaften nicht zum Stillstand gekommen und setzt sich bis in unsere moderne Zeit fort. Heute sind es Hellseher und Psibegabte, die behaupten, einen besonderen, mentalen Kontakt zur Zukunft zu haben. Die Wissenschaft der Parapsychologie hat das Phänomen der Präkognition, die außersinnliche Wahrnehmung der Zukunft, eingehend untersucht. Es sind einige Fälle von echter und gut dokumentierter Präkognition bekannt, in denen zukünftige Ereignisse bis in alle Einzelheiten vorhergesehen wurden. Doch eine überzeugende und methodisch einwandfreie Erklärung für das Auftreten solcher Fälle vermochten die modernen Parapsychologen bisher nicht zu geben. Leider handelt es sich bei der Zukunftsschau um ein spontanes Phänomen, das nur schwer wiederholbar, kaum kontrollierbar und damit wissenschaftlich nicht greifbar ist. Es werden komplizierte statistische Verfahren verwendet, die feststellen sollen, ob es sich bei der untersuchten Präkognition nur um eine gewöhnliche Vorahnung handelt, die zufällig wahr geworden ist, oder um eine echte Wahrnehmung der Zukunft. Trotz methodischer Schwierigkeiten sind die Parapsychologen davon überzeugt, dass die Präkognition zu den menschlichen Fähigkeiten gehört. Sie glauben genügend Beweise dafür zu haben, dass sich bestimmte Menschen in besonderen Ritualen und psychischen Ausnahmesituationen zumindest mental der Herrschaft der Zeit entziehen können.

Der Mensch wäre ein wirklicher Herrscher über die Zeit, wenn er die Zeit als Ganzes wahrnehmen könnte, wie den Raum und seine drei Dimensionen. Stattdessen ist seine Wahrnehmung auf die nur Sekunden umfassende Enge der Gegenwart reduziert. Was aber wäre, wenn der Mensch den Vorwärtstrieb seiner Gegenwart in die Zukunft tatsächlich und mit wissenschaftlich abgesicherten Methoden überlisten könnte? Können die Zeitmauern durch künstliche Manipulationen von Materie und Energie durchbrochen werden? Präziser gefragt, lässt sich eine Maschine erfinden, die dem Menschen direkten Zugang zu entfernten Ereignissen der Zukunft oder Vergangenheit verschafft? Eine potentielle Anwendung dieser Maschine bestände darin, Menschen körperlich durch die Zeit oder die Zeiten zu transportieren. Während für den zeitreisenden Menschen in der Maschine nur Sekunden oder Minuten vergehen, ändert sich die Zeit in der Welt außerhalb der Maschine in der Größenordnungen von Jahrhunderten, Jahrtausenden oder gar Millionen von Jahren. Verlässt der Zeitreisende den Wirkungsbereich der Zeitmaschine, so tritt er direkt in die vergangene oder zukünftige Realität seiner Zielzeit ein und erlebt sie als Gegenwart.

Die Vision einer körperlichen Zeitreise in die geschichtliche Zukunft rückte zu Anfang dieses Jahrhunderts zum ersten Mal in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit. In seinem erfolgreichen Roman Die Zeitmaschine erschuf H.G.Wells die Idee der Zeitmaschine, die das Navigieren im Meer der Zeiten ermöglichen soll. Er war der erste Autor, der versuchte, die wissenschaftliche Tür für eine Reise in vergangene und zukünftige Zeiten zu öffnen. Über den inneren Aufbau und die technische Funktionsweise der Zeitmaschine enthält der Wellsche Roman allerdings keine konkreten Hinweise. Wells lässt seinen Protagonisten als Wissenschaftler auftreten; er stellt die Zeitmaschine als Ergebnis einer wissenschaftlichen Theorie der Zeit dar. Natürlich ist die vom Erzähler dargestellte Theorie der Zeit eine Pseudotheorie. Die moderne Wissenschaftsmethodik lässt sich nur schwer mit den phantastischen Argumenten von H.G.Wells über die Zeit vereinbaren. Trotzdem waren und sind heute noch viele Menschen von der literarischen Darstellung der Wellschen Zeitmaschine begeistert und inspiriert.

Dabei provoziert das imaginäre Spiel mit der Zeitmaschine immer wieder die eine unausweichliche Frage: Ist die Zeitmaschine eine imaginäre Vorstellung, ebenso seltsam und der Realität entrückt wie das sagenhafte Einhorn und das geflügelte Pferd Pegasus oder ist die Zeitreise, sowohl in die Vergangenheit als auch die Zukunft, eine Option der realen Natur, die der Mensch irgendwann einmal meistern kann und wird? Der interessierte Laie, von der Begeisterung einer Idee gepackt, wendet sich neugierig und voller Erwartung an den Wissenschaftler. Besitzt die Wellsche Fiktion einen wissenschaftlich belegbaren Realitätsgehalt? Widerspricht eine funktionierende Zeitmaschine den Naturgesetzen oder ist sie mit ihnen verträglich?

Tatsächlich haben sich die Wissenschaftler bis zum Ende des 20. Jahrhunderts einer genauen Analyse des Zeitmaschinenproblems permanent entzogen. Sie sahen sofort, dass eine real funktionierende Zeitmaschine gewisse Grundannahmen ihrer anerkannten Methoden außer Kraft setzen würden. Eine wichtige Grundannahme der Wissenschaft ist das sogenannte Kausalitätsprinzip. Es beruht auf der logischen Annahme, dass Ereignisse in einem geordneten Ablauf der Ursache folgen. Praktische Zeitreisen würden bei bestimmten Ereignissen die normale Reihenfolge von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft durcheinanderbringen, ja sogar umkehren. Mit Hilfe der Zeitmaschine wäre es möglich, das Resultat eines Pferderennens aus der Zukunft in die Gegenwart zu holen. Das Wissen über den Ausgang des Rennens wäre also objektiv bekannt , bevor das Rennen überhaupt angefangen hat, d.h. die Folge (Resultat des Rennens) liegt vor deren Ursache (Start des Rennens). Wenn solche Ereignisfolgen in unserer Welt wirklich stattfinden können , dann würde das Kausalitätsprinzip seinen absoluten Herrschaftsanspruch über die Wissenschaft verlieren. Aus der Tatsache der Zeitreise lassen sich daher paradoxe Ereignisse und bizarre Handlungsketten folgern, die anscheinend jeder Vernunft und damit jeder wissenschaftlichen Methode widersprechen. Es ist kein Wunder, dass phantasiebegabte Literaten dieses Thema zuerst aufgegriffen und sich daran in allen erdenklichen Variationen versucht haben.

Das literarische Motiv der Wellschen Zeitmaschine entwickelte sich weiter. Es wurde in der entstehenden Science-Fiction - Literatur des 20. Jahrhunderts ein äußerst beliebtes Thema. Viele Autoren entwerfen zukünftige Szenarien einer menschlichen Supertechnik, ohne ihre Verträglichkeit mit dem aktuellen Wissen der Gegenwart zu prüfen. Sie nehmen dabei an, dass irgendwann einmal die Weiterentwicklung des menschlichen Wissens die imaginären Maschinen ihres Romans verwirklichen wird. Und die Geschichte der Technik und ihre atemberaubende Entwicklung gibt ihnen oft Recht. Viele nicht für möglich gehaltene Träume sind wahr geworden: die Reise zum Mond, direkter Informationsaustausch zwischen weit entfernten Orten, Industrieroboter, beschleunigter Transport, eine ungeheure Medienvielfalt usw. Die Vorstellungen eines Jules Verne über Unterseeboote, Luftschiffe und Raumfahrzeuge sind heute schon weit übertroffen. Für einen Menschen des 19. Jahrhunderts, der plötzlich durch eine Zeitloch in unsere Welt fallen würde, müsste die moderne Technik wie von einem anderen Stern erscheinen. Gegenstände unseres normalen Alltags wie Fernseher, Computer, Mikrowelle, Handy, CD-Player usw. wären mit den Augen der Vergangenheit gesehen reine Magie.

Die Geschichte hat immer wieder gezeigt, dass die Entwicklung der Technik oft auch in unvorhersehbaren Sprüngen geschieht. Uns sind heute technische Errungenschaften wie z.B. Mikroprozessoren, Laserstrahlen und Hologramme allseits vertraut. Noch vor wenigen Jahrzehnten waren sie weder bekannt noch irgendwie vorhersehbar. In der damaligen Wissenschaft und Technikforschung gab es niemand, der diese supermodernen technischen Konstrukte und ihre vielfältigen Anwendungen hätte voraussagen können.

Die Science-Fiction-Autoren lassen sich in ihren Träumen durch das etablierte Wissen ihrer Zeit nur wenig einschränken. Manchen gelingt es sogar, das Unvorhersehbare zu erahnen. Sie verleihen dem im bizarren Reich der Phantasie Geschauten eine literarische Form, die tatsächlich die Realität der Zukunft vorwegnimmt. An vielen Beispielen lässt sich belegen, dass zukünftige technische Entwicklungen in der Imagination der Künstler und Literaten schon lange vorher existierten. So hat zum Beispiel Jules Verne die Reise zum Mond in erstaunlicher Weise vorhergesehen. Er lässt seine Abenteurer mit einem Geschoss, dem Urprinzip der Rakete, den Mond erreichen. War es ein Zufall, dass das Mondgeschoss des Jules Verne ausgerechnet in Florida abgefeuert wurde? Cap Kennedy wurde erst sehr viel später Startplatz unsere modernen Weltraumabenteuer.

Von Leonardo da Vinci wissen wir, dass er im 16. Jahrhundert faszinierende Skizzen von Unterseebooten, Fallschirmen und Fluggeräten angefertigt hat. Leider konnten die Techniker seiner Zeit mit diesen imaginären Entwürfen wenig anfangen. Technische Visionen Da Vinci´s sind erst in unserem Jahrhundert in erstaunlicher Weise Realität geworden. Eine wissenschaftliche Untersuchung hat kürzlich ergeben, dass ein nach seinen Entwürfen heute angefertigter Fallschirm voll funktionsfähig wäre. Der Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke hat die Technik der Kommunikationssatelliten in einem Roman beschrieben, als die Wissenschaftstechniker seiner Zeit noch nicht einmal wussten, wie man eine Rakete in eine Erdumlaufbahn bringt. Wenn also Science-Fiction-Autoren bestimmte Entwicklungen bis in Einzelheiten vorweg genommen haben, sollten wir dann auch annehmen, dass die Zeitmaschine eines Tages in London erfunden werden wird? H.G.Wells jedenfalls würde es wahrscheinlich sehr freuen, wenn ihm ein Zeitreisender die gute Nachricht von der Erfindung persönlich überbringen würde - oder sollten wir sagen "überbracht hat"?

Durch das freie Navigieren im Zeitenstrom würden sich phantastische Ausblicke auf das Panorama der Menschheitsgeschichte ergeben. Viele Theorien der Historiker über geschichtliche Epochen beruhen oft auf nur unvollständig überlieferten Berichten. Die Historiker versuchen, aufgrund von nur wenigen Indizien wichtige geschichtliche Abläufe zu rekonstruieren. Neue Indizien oder neu interpretierte Dokumente entlarven bisher allgemein akzeptierte geschichtliche Tatsachen oft als Fiktion; daher müssen Teile der Geschichte mehrfach umgeschrieben werden. Dies hat dazu geführt, dass Historiker manchmal scherzhaft als rückwärts gerichtete Propheten bezeichnet wurden. Eine funktionierende Zeitmaschine würde für die Historiker das Problem der historischen Wahrheit in überzeugender Weise lösen. Das persönliche Gespräch eines Historikers des 20. Jahrhunderts mit dem echten Napoleon wäre von unschätzbarem Wert. Eine anregende Diskussion mit dem Senat des Julius Caesar oder eine Photographie der Krönungszerenomie Karls des Großen aus dem Jahre 800 machen aus der Geschichtsdeutung eine Art authentischer Geschichtsreportage. Ein Historiker, der sich mit der Zeitmaschine Zugang zur sagenhaften Bibliothek von Alexandria verschafft, bevor sie 391 n.Chr. den Flammen zum Opfer fiel, würde die verlorenen Dokumente der antiken Welt in unsere Gegenwart retten können. Durch die Möglichkeit eines direkten Kontakts der Vergangenheit mit der Gegenwart könnte die Geschichtsschreibung endgültig perfektioniert werden. Eine Zeitmaschine kann aber auch dazu verwendet werden, die Zukunft zu erforschen. Zwangsläufig würde sich ein neues Arbeitsfeld für die Wissenschaftler der Geschichtsschreibung ergeben. Die Historiker müssten sich auch mit einer Geschichte der Zukunft befassen. Der Traum von der Zeitmaschine läuft mit den geheimen Träumen und bisher unerfüllten Phantasien der Historiker parallel. Nichts kann den chrononautischen Erforschern der menschlichen Geschichte mehr verborgen bleiben, wenn sich informative und interaktive Kontakte zu allen Zeiten knüpfen lassen.

Doch schaut man genauer hin, dann fangen mit einer funktionierenden Zeitmaschine die historischen Probleme erst an. Man muss annehmen, dass mit den Kontakten, die ein Historiker der Zukunft mit der Vergangenheit hat, Informationen aus der Zukunft in die Vergangenheit gelangen, die vielleicht nicht dahin gehören. Caesar davon abzuraten, an den Iden des März in den Senat zu gehen, wäre menschlich angebracht, doch für den Fortgang der Geschichte würden sich mit dem längerem Überleben des Julius Caesars neue und möglicherweise unvorhersehbare Abläufe ergeben. Kann oder darf der zeitreisende Historiker die Vergangenheit beeinflussen? Kann die Vergangenheit durch einen Zeitreisenden mit freiem Willen überhaupt verändert werden? Wie lassen sich die eigene Person, die persönliche Geschichte und das Schicksal mit einer faktischen Reise in die eigene Vergangenheit vereinbaren? Jede Zeitreise führt offensichtlich zu der Möglichkeit, das Vergangene zu ändern, um einer verhängnisvollen Vorherbestimmung zu entgehen. Diese Probleme und die damit verknüpften Paradoxien besitzen durchaus eine philosophische und existentielle Tiefe. Mit der Annahme, dass Zeitreisen im Prinzip möglich sind, werden unsere gewohnten Vorstellungen von Geschichte, Identität und Willensfreiheit grundsätzlich in Frage gestellt. Und gerade diese unglaublichen, die Vorstellung des Menschen von sich selbst betreffenden Folgerungen sind es, die es den modernen Wissenschaftlern so schwer machen, sich unvoreingenommen mit dem Thema zu beschäftigen.

Die moderne Wissenschaft schließt keine Idee a priori aus, aber sie setzt strenge Prüfungsmaßstäbe. Bevor der Physiker die reale Möglichkeit einer Technik der Zeitbeherrschung akzeptieren kann, muss er ein durch Experimente und logische Analyse hinreichend abgesichertes Modell besitzen. Dieses Modell muss sich insbesondere mit den logischen Schwierigkeiten vertragen, die mit der propagierten Zeitreise von Personen und Sachen einhergehen. Mit der theoretischen Möglichkeit der freien Beweglichkeit in der Zeit entstehen sogenannte Zeitparadoxien, die zunächst geklärt und zufriedenstellend analysiert werden müssen. Es muss dabei sehr genau geprüft werden, ob mit und durch Ereignisfolgen entstehen, die paradox, aber möglich sind, oder Ereignisfolgen, die logisch unmöglich sind und sich daher in keiner denkbaren Welt ereignen können.

Ein Haupthindernis für die allgemeine Akzeptanz der wissenschaftlichen Beiträge zum Thema von Zeitmaschinen liegt im Problem der sogenannten Kausalität. Jede Form von ernster Wissenschaft hat das Prinzip, dass die Ursache ihrer Wirkung zeitlich vorangeht, als unverzichtbar anerkannt. Ereignisfolgen sind notwendig kausal angeordnet, d.h. nur Ereignisse, die zeitlich früher liegen, können tatsächlich als Ursachen für zeitlich nachfolgende Ereignisse auftreten. Zeitreisende aber brauchen auf dieses Prinzip keine Rücksicht zu nehmen. Es ist jedem erfolgreichen Chrononauten grundsätzlich möglich, die zeitliche Reihenfolge von Wirkung und Ursache zu vertauschen. Seriöse Wissenschaft beruht aber gerade auf der allgemeinen Gültigkeit des Kausalitätsprinzips; so behaupten es jedenfalls die anerkannten Wissenshüter. Es ist klar, dass sich die Wissenschaftler nur ungern den Boden unter den Füßen wegziehen lassen. Mit den Kommentaren "Unmöglich" und "Unwissenschaftlich" wurde das Problem der Zeitreise durch die exakte Wissenschaft bis in die zweite Hälfte des 20.Jahrhunderts kategorisch abgelehnt. Damit schien der Traum von der Herrschaft des Menschen über die Zeit und alle Zeiten ausgeträumt. Doch die menschliche Natur hat noch nie vor dem "Unmöglich" kapituliert. Das zweifelnde und titanenhafte "Warum nicht?" steht immer am Anfang einer neuen und revolutionären Erweiterung menschlicher Erkenntnisse über die Natur.

Wie ein berühmter Wissenschaftler einmal gesagt haben soll sind unsere echten Träume von heute die Realitäten von morgen. Heute, am Beginn des 21. Jahrhunderts, sind wir an einem Punkt angelangt, wo die Wissenschaft kritische Fragen zur Möglichkeiten der Chrononautik nicht mehr verdrängen kann und darf. In den letzten Jahren sind viele Fachartikel, Bücher und Internetseiten zum Thema Zeitreise publiziert worden. Dies zeigt deutlich, dass das Thema Zeitreise im mehr in den Fokus der Wissenschaft rückt. Der Traum von der endgültigen Beherrschung der Zeitdimension durch den Menschen drängt zur Verwirklichung.





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