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Kapitel 16:

Kausalität gefangen im Zeitkreis


Unsere Vorstellungen von Zeit und die Idee der Kausalität sind eng miteinander verknüpft. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet Kausalität das Verhältnis, in dem Ursache und Wirkung zueinander stehen. Aus gleichen Ursachen folgen stets gleiche Wirkungen . Das Kausalitätsprinzip und die Zeitrichtung bedingen sich gegenseitig. Die Wirkung folgt der Ursache, soweit die Naturwissenschaftler bisher feststellen konnten, zeitlich immer nach, sie liegt später. Eine Kugel schießt aus der Pistole, nachdem man den Abzug gedrückt hat und nicht umgekehrt. Eine Vase fällt auf den Boden, nachdem sie einen Stoß erhalten hat, und zerspringt in Scherben. Der dazu zeitlich umgekehrte Vorgang ist in der Natur noch nicht beobachtet worden. Scherben fügen sich nicht von selbst zu einer Vase zusammen. Auch kann einen Vase, die auf dem Boden liegt, nicht spontan auf einen Tisch zurückspringen, um dann erst den Stoß zu erhalten.

Unsere Erfahrungen legen den Schluss nahe, dass solche "umgekehrten Ereignisketten" nicht stattfinden können. Wir stellen daher das Kausalitätsprinzip auf und glauben, dass sich die Natur danach verhält und keine Ausnahmen erlaubt. Die Naturwissenschaftler versuchen in ihrer Methode Ereignisse ursächlich auf zeitlich frühere zurückzuführen. Der experimentell gefundene und in der Folge bestätigte kausale Zusammenhang wird in Form von Naturgesetzen ausgedrückt. Umgekehrt werden mit Hilfe des Gesetzes aus vorhandenen Daten in der Gegenwart zukünftige Ereignisse vorausberechnet. Bestimmte Ereignisse in Raum und Zeit sind durch Kausalketten miteinander verknüpft. Jedes Ereignis ist Teil irgendeiner oder mehrerer Kausalketten. Die Vorhersage eines künftigen Ereignisses ist nichts Ungewöhnliches. Die gesamte moderne Technik und Wissenschaft beruht auf der Korrektheit genauer Voraussagen. Wir glauben, dass sich, wenn wir bestimmte Ursachen kennen, bestimmte Folgeereignisse auch einstellen müssen.

In der klassischen Physik konnten alle früheren Ereignisse, an jedem Ort, grundsätzlich alle zukünftigen beeinflussen. Zu dieser Erkenntnis war die Annahme einer unendlich schnellen Ausbreitungsgeschwindigkeit der Wirkungen notwendig. So betrachtete man früher die Wirkung der Gravitationskraft als momentan, d.h. sie wurde unendlich schnell übertragen. Der Grundpfeiler der relativistischen Physik, dass sich keine Wirkung schneller als das Licht ausbreitet, hat das Kausalgesetz nicht angetastet. Die Relativitätstheorie forderte nur die Einschränkung, dass zwei kausal zusammenhängenden Ereignissen im Prinzip durch Lichtsignale verknüpfbar sein müssen. Liegen die Ereignisse raumzeitlich für den Austausch von Lichtsignalen zu weit auseinander, so sind sie füreinander bedeutungslos.

In den Weiterentwicklungen zur modernen Physik wurden fast alle Grundbegriffe der Newtonschen Mechanik überdacht und im Rahmen einer erweiterten Theorie umgedeutet. Das Prinzip der Kausalität aber wurde zunächst auch nach Einstein nur wenig berührt. Leise Zweifel deuteten sich in der Quantenphysik an. Bei der Untersuchung des atomaren Geschehens wurde die Unmöglichkeit einer exakten Voraussage festgestellt. Dabei hat diese Unmöglichkeit nichts zu tun mit mangelnder Kenntnis der genauen Größen des Systems, sondern sie ist absolut fundamental und in den zugrunde liegenden Gesetzen verankert. Es ergab sich aber nicht zwingend, daraus die Ungültigkeit des Kausalgesetzes für den Makrokosmos zu folgern. Das Kausalgesetz ist in der makroskopischen Welt, d.h. der Alltagswelt des Menschen, tief verankert. Die Vorstellung, dass an bestimmten Stellen der Raumzeit kausale Prozesse plötzlich und ursachenlos beginnen und ebenso abrupt wieder abbrechen, ist dem Alltagsbewusstsein fremd. Die Kette der Ereignisse, die durch Ursache und Wirkungen verknüpft sind, darf niemals abreißen. Sie verliert sich in einer unendlich weiten Vergangenheit und läuft in eine entfernte Zukunft. Ein Ereignis unserer Zukunft ist immer mit irgendeinem ursächlichen Ereignis der Gegenwart verbunden. Gelingt uns die Vorhersage nicht, so ist nur der Mangel an hinreichender Information in der Gegenwart dafür verantwortlich. Im Nachhinein gelingt die notwendige und logische Verknüpfung meist ohne Probleme.

Jedes Ding hat seine Ursache - in der Vergangenheit. Dies ist ein weit verbreiteter Allgemeinplatz und lange Zeit hatte die Naturwissenschaft keinen Grund daran zu zweifeln. Sich vorzustellen, dass herumliegende Scherben die Ursache für das Herabfallen einer Vase darstellen, ist nicht nur für den Naturwissenschaftler eine absurde Vorstellung. Die Logik ist aber von unserer emotionalen Befindlichkeit und unseren Vorurteilen nicht betroffen. Kein noch so einleuchtender Grundsatz darf bestimmte scharfsinnige und logisch einwandfreie Fragen und Antworten ausschließen. Kann ein Signal, dessen Ursprung in der Zukunft liegt, Kausalketten in der Gegenwart auslösen? Kann ein Zeitreisender in die Vergangenheit zurückkehren, um dort Selbstmord zu begehen? Gibt es Wirkungen in Prozessen der Natur, ohne dass sich davon Spuren in der Vergangenheit finden? Signale, die in das Wirkungsgefüge von Zukunft und Vergangenheit eingreifen und dabei die Kette der Folgeereignisse kurzschließen, bringen allerdings den Wissenschaftler in größte Schwierigkeiten. Eine Theorie, die zulässt, dass man ein Abendessen genießen kann nachdem man Selbstmord begangen hat, scheint logisch absurd. Befasst der Physiker sich mit solchen Fragestellungen, rüttelt er an den Fundamenten seiner Wissenschaft. Genau dies wird auch durch die Behauptung getan, dass Zeitmaschinen funktionieren.

Was ist, wenn wir die Kugel aus einer Pistole herauskommen sehen und dann mit der Zeitmaschine in der Zeit zurückreisen, um zu verhindern, dass der Abzug gedrückt wird? Wenn uns dies gelingt, und es gibt keinen Grund anzunehmen, warum wir nach der Zeitreise dazu nicht in der Lage sein sollen, dann ist die Ursache für den Flug der Kugel zerstört. Und doch sehen wir später, dass die Kugel den Lauf verlässt. Durch eine Zeitreise kann die so übersichtliche Beziehung zwischen Ursache und Wirkung in eine unglaubliche Verwirrung gebracht werden. Jede praktizierte Zeitreise verfängt die Kausalität in einem Zirkelschluss, und es ist schwer einzusehen, wie man ohne Aufgabe der Kausalität aus diesem Durcheinander herauskommen kann. Ob der aktive Physiker nun für oder gegen Zeitmaschinen eingestellt ist, er darf die Gültigkeit des Kausalitätsprinzips mit Methode anzweifeln, insbesondere wenn experimentelle Hinweis existieren. In der Allgemeinen Relativitätstheorie und der Quantenmechanik gibt es neuere Ergebnisse, die folgende Arbeitshypothese zulassen:

These: Die Gültigkeit des Kausalitätsprinzip ist nicht absolut.


Die Wirklichkeit der subatomaren Partikel und der extremen kosmische Objekte lassen sich durch die linear fortschreitende Zeit nicht widerspruchsfrei darstellen. Nicht-lineare, holistische und nicht lokale Effekte, die in modernen physikalischen Theorien diskutiert werden, überwinden die Grenzen des linearen und kausalen Denkens. Mit dem möglichen Fall des Kausalprinzips ist dem Paradoxen, dem Unberechenbaren der Eintritt in ein nur scheinbar endliches, kausal vorhersagbares und logisch eindeutiges Universum gesichert. Die Ungültigkeit des Kausalprinzips stellt das Programm einer formalen und vollständigen Beschreibung unseres Universums nachhaltig in Frage. In Anlehnung an den Gödelschen Beweis über die Nicht-Formalisierbarkeit des mathematischen Wissens , kann man sagen, dass unser Kosmos einen Gödelhorizont besitzt. D.h. ein Beobachter, der sich innerhalb des Universums befindet, kann mit den formalen Mitteln eines Modells nicht alle Wahrheiten seines Universums erfassen. Die Weltformel oder die physikalische Theorie, die alles erklärt, wird eine Illusion bleiben müssen. Oder anders ausgedrückt, jedes formale Modell, das die physikalische Wirklichkeit beschreibt, ist logisch verträglich mit dem faktischen Auftreten nicht direkt ableitbarer und nicht-kausaler Impulse im beschriebenen Universum. Die Gödelgrenzlinie kann man im Prinzip nur dann überschreiten, wenn man sich in eine Position außerhalb des Universums versetzt. Nur aus der Position eines Metabeobachters, der das Universum vollständig von außen betrachtet, ist eine vollständige Beschreibung desselben möglich. Aber ebenso wie wir uns nicht vorstellen können, wie sich Münchhausen am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen haben soll, so können wir uns unmöglich in die Position eines extrauniversalen Metabeobachters versetzen.

Wenn wir die Existenz eines Gödelhorizontes für unser Universum annehmen, dann ist kein Modell der physikalischen Realität vollständig und korrekt. Daher werden wir auch funktionierende Zeitmaschinen niemals mit logischer Sicherheit ausschließen können. Denkbar ist auch, dass Techniker eine Zeitmaschine zur Anwendung bringen, dass aber ihre Funktionsweise ebenso unerklärlich bleibt, wie die Tatsache des Zerfalls eines bestimmten radioaktiven Atoms zu einem bestimmten Zeitpunkt. Da Zeitmaschinen bisher nur hypothetischen Charakter besitzen, ist die Überprüfung der räumlich-zeitlichen Verwirrungen nur im Gedankenexperiment möglich. Genau da liegt der Aufgabenbereich der Chronologik. Durch die Chronologik müssen die theoretischen und logischen Grenzen abgesteckt werden, die sich für Wechselwirkungen zwischen Makroobjekten in Raum und Zeit ergeben, wenn anerkannte Zeitordnungen durch Zeitmanipulationen verwirbelt werden. Da eine praktisch funktionierende Zeitmaschine unsere gewohnten Vorstellungen von Ursache und Wirkung zerbricht, entstehen für den Alltagsverstand extrem verwickelte und logisch schwer zu durchschauende Verhältnisse.

Die noch zu begründende Chronologik soll daher hauptsächlich die Theorie zeitlicher Aussagen, den logischen Zusammenhang zirkulärer Ereignisketten und selbstbezügliche Zeitparadoxe untersuchen. Die Gedankenexperimente und chronologischen Analysen, die sich aus einer faktischen Ungültigkeit des Kausalitätsprinzips entwickeln, können ebenso konstruktiv für eine Revolution im Begriffsgebäude der Physik wirken. Dabei ist auch für die Chronologik der Zukunft der Grundsatz unverzichtbar: das logisch Unvorstellbare ist auch faktisch nicht möglich und kann in keinem Modell des physikalischen Universum akzeptiert werden.

In jedem Fall sind die aus einer Zeitreise konstruierbaren Sachverhalte außergewöhnlich verwirrend und paradox. Sie fordern die aktuellen Grenzen unserer Logik auf das Äußerste heraus. Für die Chronologik ergibt sich ein zentrales Problem, von dessen widerspruchsfreier Lösung die Möglichkeit der Zeitmaschine wesentlich abhängt.
Das elementare Zeitreiseproblem:
Durch die Zeitreise sind Eingriffe in schon vergangene Zustände möglich, die spätere Ereignisfolgen annullieren oder verhindern, die gerade die Voraussetzung der Zeitreise in die Vergangenheit bilden.
Eine wesentliche Grundannahme ist, dass die an den Ereignissen einer Zeitreise beteiligten Menschen autonom handeln. Autonom handeln bedeutet für einen Menschen sich in einer Situation frei für bestimmte Aktionen entscheiden zu können. D.h. ihm ist es grundsätzlich möglich, jede beliebige Handlung auszuführen, wenn sie nur mit seinen persönlichen Einschränkungen und den lokalen physikalischen Bedingungen der Situation verträglich ist. Mit dieser Grundannahme lassen sich sofort einfache paradoxe Ereignisreihen konstruieren, die das elementare Zeitreiseproblem anschaulich beleuchten.

(A) Ein junger Mann A erfährt von seinem Vater, dass sein Großvater ein sehr böser Mann war, der viel Unglück über seine Mitmenschen gebracht hat. Eines Tages verfügt A über die Möglichkeit, eine Zeitmaschine zu benutzen. Er reist in der Zeit zurück, und zwar in die Zeitepoche, in der sein Großvater noch als junger Mann lebte. Er lernt seinen Großvater kennen und überzeugt sich davon, dass die Schilderungen seines Vaters der Wahrheit entsprechen. Im Streit mit dem Großvater kommt es zu einem tragischen Schusswechsel, der zum Tod des Großvaters führt. Als kausale Folge dieser Tat ist es dem Großvater nicht mehr möglich, Vater eines Kindes zu werden. Daher kann es keinen Enkel geben, der in der Zeit zurückreist. Er ist nie geboren worden. In diesem Fall kann aber der Großvater auch nicht durch einen jungen Mann aus der Zukunft, der sein Enkel ist, zu Tode kommen. Wenn der Großvater nicht durch einen Schuss umgekommen ist, dann wird ein Enkel geboren, der eines Tages mit einer Zeitmaschine in die Vergangenheit reist, um ... . Wie lässt sich dieser logische Zirkel auflösen?

(B) Ein Mann B verfügt über eine Zeitmaschine und will sie zu seinem persönlichen Vorteil nutzen. Er reist eine Woche voraus in die Zukunft und stellt fest, wer im Lotto vom Samstag zuvor den Hauptgewinn gewonnen hat. Da sein Name nicht unter den Gewinnern zu finden ist, will er dem Glück nachhelfen. Er notiert die korrekten Lottozahlen, reist in die Zeit vor der Ziehung zurück und füllt einen Lottoschein mit den richtigen Zahlen aus. Er ist nicht überrascht, dass er am nachfolgenden Samstag zu den Gewinnern gehört. Natürlich enthält die Gewinnerliste der Lottogesellschaft am Montag darauf seinen Namen. Die Liste, die er aber zuvor in der Zukunft eingesehen hat, enthielt seinen Namen noch nicht. Welche Zukunft ist die wahre Zukunft? In der Zukunft sind zwei Gewinnerlisten existent, eine Liste mit und eine ohne seinen Namen. Oder gibt es, wenn wir Zeitmaschinen anwenden, mehr als eine Zukunft, die wahr sein kann?

(C) Ein Physiker C hat einen Zeitapparat entwickelt, der Signale in die Vergangenheit senden und analoge Signale aus der Zukunft auffangen kann. Mit diesem Apparat sendet der Physiker C um 12.00 Uhr ein Signal mit einer Nachricht in die unmittelbare Vergangenheit. Zielzeit des Signals ist 11.00 Uhr. Funktioniert der Zeitapparat korrekt, so erreicht ihn das Signal ein Stunde bevor er es absendet. Die Nachricht, die ihm aus der Zukunft vermittelt wird, lautet: " Sende ein Signal mit dieser Nachricht auf keinen Fall um 12.00 Uhr ab!" Falls der Physiker diese Nachricht um 11.00 erhält und ihrer selbstbezüglichen Aufforderung nachkommt, wer hat dann das Signal gesendet?

(D) Ein Zeitreisender findet an der Idee gefallen, mit seinem früheren Ich in Kontakt zu treten. Er reist also mit seiner neu konstruierten Zeitmaschine zehn Jahre in die Vergangenheit zurück. Sein jüngeres Ich hält ihn für eine geisterhafte Erscheinung. Darauf schlägt der Zeitreisende seinem jüngeren Ich mit einem derben Schlag auf die Nase. Diese schmerzhafte Erfahrung ist aber dem älteren Ich aus seiner persönlichen Vergangenheit völlig unbekannt. Er selbst kann sich an keine Person erinnern, die vor zehn Jahren behauptet hat, ein Phantom aus der Zukunft zu sein, um ihm dann als Beweis seiner realen Existenz einen Schlag auf die Nase zu versetzen.

(E) Ein Zeitreisender trifft in der Vergangenheit sein früheres Ich. Im Laufe der Unterhaltung erzählt er ihm von der Zeitreise und erklärt ihm die Grundprinzipien einer funktionierenden Zeitmaschine. Wie man eine Zeitmaschine baut hat der Zeitreisende selbst vor vielen Jahren von seinem zukünftigen Ich erfahren. Das ältere Ich weiß, dass die Information über den Bau einer Zeitmaschine ihm vor Jahren nur mitgeteilt wurde. Ebenso erfährt das jüngere Ich die Baupläne für eine Zeitmaschine von einer anderen Person, seinem zukünftigen Ich. Allerdings lässt sich nicht klären, wer die Zeitmaschine erfunden hat, oder woher das Wissen über den Aufbau und die Funktion der Zeitmaschine gekommen ist. Die einzelnen Stufen der Zeitschleife sind kausal verbunden und erklärbar, die gesamte Zeitschleife ist es nicht. Niemand weiß, wie die Informationen über die Zeitmaschine tatsächlich in der Schleife erzeugt wurden.

(F) Dem Zeitreisenden wird im Prinzip zugestanden, dass sein freier Wille durch die Zeitreise nicht beeinträchtigt wird. Daher ist es denkbar, dass ein Zeitreisender in seiner persönlichen Vergangenheit das zu verändern sucht, was sich schon ereignet hat. Das aus der Zukunft kommende Ich könnte z.B. versuchen, sein früheres Ich zu überzeugen, niemals in eine Zeitmaschine zu steigen, falls sich irgendwann einmal eine Gelegenheit dazu bieten sollte. Wenn das frühere Ich diesem Ratschlag Folge leistet und sich niemals an einer Zeitreise beteiligt, wer ist dann in die Vergangenheit gereist?

In den geschilderten Situationen (A) bis (F) verwickelt sich die Handlungsfolge offensichtlich in einen unauflösbaren Widerspruch. Eine Reihe von Ereignissen bilden eine Geschichte, die, wen sie sich einmal ereignet hat, eindeutig und abgeschlossen ist. Diese Ansicht ist ein Grundpfeiler der anerkannten Wissenschaften. Die Vergangenheit ist für immer unveränderlich. Sie kann nicht ungeschehen gemacht werden. Eine praktizierte Zeitreise kann aber genau dies, nämlich Zeitreisende können einmal stattgefundene Ereignisse im Prinzip auslöschen oder verändern. Aus den Gedankenexperimenten zur Zeitreise wollten einige Naturwissenschaftler daher mit Gewissheit folgern: Zeitreisen bedingen, dass gewisse Effekte ihren Ursachen vorangehen können. Das ist ein eindeutiger Verstoß gegen das Kausalitätsprinzip, ein Grundpfeiler jeder Form von Wissenschaft. Da in diesem Fall jedes untersuchte System nicht kontrollierbaren und auch theoretisch nicht erfassbaren Einflüssen unterliegt, ist die Methode der Wissenschaft zerstört. Das kann nicht logisch sein. Es kann und darf keine widersprüchliche Situation geben.. Daher darf es auch keine Zeitreisen geben.

Daher waren den Physikern lange Zeit keine ernsthaften Bemühungen über die reale Möglichkeit von Zeitmaschinen in den Sinn gekommen. Vielmehr wurde das Zeitreiseproblem in der Regel als unsinnig und logisch unverträglich abgetan, wenn es ihnen aus literarischen oder philosophischen Quellen zugetragen wurde. So vermutete der Astrophysiker Stephan Hawking zunächst, dass Zeitmaschinen im realen Universum nicht funktionieren. Da ihm ein logischer Beweis für diese Behauptung nicht gelang, gab er scherzhaft an, dass Zeitmaschinen nicht erlaubt sind, weil sonst die Welt der Historiker in Unordnung geraten würde. Ganze Busladungen von Zeitreisenden müssten in unsere Gegenwart einfallen, wenn eine zukünftige Menschheit über die Zeitmaschine verfügen würde. Stephen Hawkings verweist auch mit Nachdruck auf die bekannte Tatsache, dass wir in unserer heutigen Zeit keine Zeitreisenden aus Zukunft gesehen oder kontaktiert haben. Um das zu untermauern, hat er eine Party für Zeitreisende in seinem Haus veranstaltet. Die Einladungen zu der Party hat er mit britischem Humor ausgestattet erst nach dem Partydatum verschickt. Da keine Gäste zur Party erschienen sind, hat er zumindest einen experimentellen Hinweis erhalten, dass es keine Zeitreisen gibt.
Heuristische Widerlegung der Zeitmaschine (HWZ-Postulat):
Es gibt keine Besucher aus der Zukunft, weil eine Zeitmaschine niemals erfunden werden wird. Falls eine Zeitmaschine in der Zukunft funktionieren würde, hätte wir schon längst Kontakte mit der Zukunft bemerken müssen.
Diese Behauptung über die Unmöglichkeit einer realen Zeitmaschine hat für die Physiker von heute eher den Rang einer brauchbaren Vermutung. Dadurch sind aber die strengen Methodikanforderungen der exakten Wissenschaften noch nicht erfüllt. Daher kann das HWZ-Postulat mit Recht angezweifelt werden. Der exakte Wissenschaftler ist erst zufrieden, wenn er in seinem anerkannten Modell die Unmöglichkeit einer Sache eindeutig ableiten kann. Er lässt sich allerdings auch durch ein erfolgreiches Experiment überzeugen, dessen Ergebnis sein Modell nicht notwendig voraussagt. Dann wird er versuchen, das Resultat, auch wenn es noch so merkwürdig erscheint, in seine Theorie zu integrieren. Falls dies nicht direkt möglich ist, wird er seine bisher so erfolgreiche Theorie ohne Zögern aufgeben, um eine Revolution in den Theorien seiner Wissenschaft durchzuführen.

Für den Fall, dass keine denknotwendigen und konsistenten Erklärungen der Zeitreise gefunden werden, bleibt immer noch das Statement eines Anhängers der These von der Realität der Zeitreisen: Jedermann stimmt zu, dass Gott oder der Big Bang oder der Zerfall eines bestimmten radioaktiven Atoms logisch nicht erklärbar ist. Warum sollten dann geschlossene Zeitkurven eine logische Erklärung finden, auch wenn sie existieren ? Um die logischen Zirkelschlüsse aufzulösen sind interessante Szenarien entwickelt worden. Insbesondere werden Theorien bevorzugt, die das Kausalitätsprinzip (u.U. mit Einschränkungen) bewahren.

Es existieren eine ganze Reihe von phantasievollen Deutungsversuchen für die Möglichkeit widerspruchsfreier Zeitreisen, die nicht nur von Science-Fiction-Autoren entwickelt wurden. Das Zeit-Paradox im Fall A führt auf den Widerspruch, dass in einem Universum gleichzeitig zwei Versionen einer Ereignisfolge existieren. In der einen ist der Großvater tot, in der anderen lebt er weiter. Diesen Widerspruch gibt es nicht, wenn zwei verschiedene Universen zur Verfügung stehen. Unter der Annahme zweier paralleler Universen, die sich nur hinsichtlich der Ereignisfolgen unterscheiden, die den Großvater betreffen, ist der Widerspruch auflösbar. Diese Idee von den alternativen Realitäten mit parallelen Zeitpfaden wurde durch logisch versierte Science-Fiction-Autoren für die Auflösung paradoxer Ereignisfolgen verwendet. Interessant dabei ist, dass einige moderne Physiker diese Idee in einer merkwürdigen Interpretation der Quantenmechanik wissenschaftlich fest verankert haben.




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