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Kapitel 3:

Zeitmaschinen am fernen Horizont der Physik


Die Relativitätstheorie, eine Theorie über relative Bewegung, Raum und Zeit wurde am Anfang des 20. Jahrhunderts von Albert Einstein entwickelt und revolutionierte unsere alltäglichen und etablierten Vorstellungen von Zeit und Raum. Die Einsteinsche Theorie erschien in zwei Teilen. 1905 veröffentlichte er die Spezielle Relativitätstheorie, 1915 die Allgemeine Relativitätstheorie. Einstein's Überlegungen von 1905 beruhten auf der damals schon bekannten und nur schwer zu erklärenden experimentellen Tatsache, dass die Lichtgeschwindigkeit in gegeneinander bewegten Systemen konstant bleibt . Daraus zog Einstein die revolutionäre, aber konsequente Folgerung, dass die Zeit in relativ zueinander bewegten Systemen unterschiedlich verlaufen muss.

Der tragende Pfeiler der klassischen Physik, die unbeeinflussbare, absolute Zeit, wurde so eingerissen und machte einer Vielzahl von System- und Eigenzeiten Platz. Die Arbeiten Einsteins haben eine historisch gewachsene Zeitauffassung als zu oberflächlich entlarvt. Die Natur ist, so die relativistische Kernaussage, raffinierter und ihre Prozesse verlaufen mit einer anschauungsungewohnten, dehnbaren und multiplen Zeitperspektive. Zu der Grundauffassung des Einsteinschen Ansatzes gab es kaum Alternativen und seine Ideen setzten sich im anerkannten Weltbild der Physiker des 20. Jahrhunderts fest. Eine überraschende und durch Experimente stark abgesicherte Konsequenz der Speziellen Relativitätstheorie ist das Phänomen der Zeitdehnung. Jedem Beobachter erscheint ein Zeitablauf in einem relativ zu ihm bewegten System langsamer als im eigenen System. Oder anders ausgedrückt: eine Uhr im bewegten System läuft langsamer als eine gleichartige, vorher synchronisierte Uhr im ruhenden System.

Dieser Effekt der Zeitdehnung macht sich nur bei großen Relativgeschwindigkeiten bemerkbar. Er verstärkt sich extrem, wenn sich die Relativgeschwindigkeit der beiden Systeme der Lichtgeschwindigkeit annähert. Dieser Effekt der Zeitdehnung lässt sich im Prinzip für eine Zeitreise in die entfernte Zukunft ausnutzen. Darüber gibt es unter den Physikern nur wenig Meinungsverschiedenheiten.

Komplizierter sind die Verhältnisse, die sich aus der Allgemeinen Relativitätstheorie ableiten lassen. Einstein behauptet, vereinfacht ausgedrückt, das der Raum der Materie vorschreibt, wie sie sich zu bewegen hat, und dass umgekehrt die Materie dem Raum vorschreibt, wie er sich zu krümmen hat. Geometrie des Raumes und die Masse der Körper sind wechselseitig miteinander verknüpft. Einstein beschrieb den Raum als eine Art "plastische Leere", die von großen Massen verformt wird. Dass der Raum Wirkungen auf die in ihm enthaltenen Körper ausübt, ist eine der verblüffenden Behauptungen der Allgemeinen Relativitätstheorie. Z.B. verformt die große Masse der Sonne den Raum in ihrer Umgebung so, dass die Planeten den Veränderungen des Raumes folgen müssen. Dies kann verglichen werden mit Kugeln, die in einem hügeligen Gelände vorwärts rollen. Die Bahnen der Kugeln werden durch die Unebenheiten des Geländes beeinflusst und sind in der Regel gekrümmt. Die kürzeste Verbindung im dynamischen Raum der Relativitätstheorie ist in der Regel eine gekrümmte Linie. Seit Newton wissen wir, dass ein Planet, der die Sonne umkreist, von der mysteriösen Gravitationskraft auf seiner Bahn gehalten wird. Mit Einstein ergibt sich eine völlig anderes Bild: durch die Sonne wird eine Einbuchtung im Raum erzeugt und der Planet versucht nur auf kürzestem Wege dieser Verwerfung zu folgen. Die großräumige Raumstruktur des Universums wird entscheidend durch die großen Massen, die Sonnen, die Galaxien und die Ansammlungen dunkler Materie geprägt. Da gibt es Hügel und Senken, Einbuchtungen und andere Verwerfungen, denen alle kleineren Körper zwangsläufig folgen müssen.

Eine andere bedeutsame Folgerung der Theorie ist, dass mit den Veränderungen des Raumes und der Gravitation auch eine Veränderung der Zeit einhergeht. So konnte z.B. der Physiker Carroll Alley 1975 nachweisen, dass die Zeit je nach Bezugsort mit unterschiedlichen Raten verläuft. Er verwendete dabei zwei synchronisierte, superexakte Atomuhren. Die eine Uhr verblieb auf der Erdoberfläche, wo die Gravitationskraft stärker wirkt als in 6ooom Höhe. In dieser Höhe ließ er die zweite Uhr mit einem Flugzeug herumfliegen. Nachdem die Uhren wieder zusammengebracht worden waren, zeigte sich ein Zeitunterschied. Die Differenz erwies sich als extrem klein, war aber physikalisch noch messbar.

Zeit, Raum, Gravitation und Energie werden durch die relativistischen Gleichungen zu einer seltsamen Einheit verbunden. Die Physiker sprechen von unserer Welt als Raumzeit oder noch geheimnisvoller vom vierdimensionalen Raumzeitkontinuum. Einstein selbst wunderte sich über die "merkwürdig molluskenhafte Struktur der Raumzeit". Diese Verwunderung teilen viele Nichtphysiker mit Einstein, wenn sie von den seltsamen, dem gesunden Menschenverstand so offensichtlich widersprechenden Behauptungen der Allgemeinen Relativitätstheorie oberflächlich Kenntnis bekommen. Doch in der Standardphysik hat sich die Allgemeine Relativitätstheorie den Rang einer brauchbaren Beschreibung der Verhältnisse in unserem Universum gesichert; ihre Grundsätze gehören heute zum anerkannten Rüstzeug der forschenden Physiker.

Allerdings muss man heute zugeben, dass die moderne Weiterentwicklung der Theorie auf schwierige Probleme gestoßen ist. U.a. handelt es sich dabei um relativistische Modelle, die Raumzeiten mit "Löchern" beschreiben. So zeigen die relativistischen Gleichungen eindeutig, dass die Zeit im Extremfall einer starken Gravitationskraft fast völlig zum Stillstand kommt. Man hat herausgefunden, dass es in unserem Universum Objekte von kosmischer Größenordnung gibt, die einen sogenannten Gravitationszusammenbruch erleiden. Am Ende dieses ungeheuren Zusammenbruchs steht ein undefinierbares "Nicht mehr messbar", das Objekt ist einfach aus unserer Raumzeit verschwunden Es hat sich in eine "schwarze Decke" eingehüllt, hinter die kein noch so kompetenter Physiker oder Beobachter blicken kann.

Die vorderste Front der Astrophysik behauptet nicht nur, dass es solche "Schwarzen Löcher" im Raum gibt, sondern sie weist auch nach, dass sowohl Dichte als auch Raumkrümmung hinter der "Schwarzen Decke" auf unendliche Werte hinlaufen und jede Möglichkeit entschwindet, physikalisch zuverlässige Aussagen zu machen. Vereinfacht ausgedrückt, die Allgemeine Relativitätstheorie sagt Verhältnisse voraus, über die sie nicht mehr urteilen kann. Manche Physiker meinen daher, dass die Allgemeine Relativitätstheorie mit ihrer Differentialgeometrie ein eher ungeeignetes Werkzeug ist, um unsere Raumzeit exakt zu beschreiben. Denn in letzter Konsequenz sagt die Allgemeine Relativitätstheorie ihren eigenen Zusammenbruch voraus, wenn sie die Existenz von sogenannten Singularitäten zulässt. Sie verbirgt wesentliche, für die Theorie destruktive Ereignisse hinter einem Horizont. Diese Verdunkelungsstrategie hat schließlich dazu geführt, gewisse Raumzeitbereiche als pathologisch zu bezeichnen. Es wird vermutet, dass in diesen pathologischen Raumzeitgebieten Quanteneffekte ein besondere Rolle spielen. Die Physiker bemühen sich daher verstärkt, die beiden Pfeiler der moderne Physik, die Relativitätstheorie und die Quantentheorie, miteinander zu verbinden. Ziel dieser Bestrebungen ist eine neue vereinheitlichte Theorie, die alles oder fast alles im physikalischen Universum erklären soll.

Und genau dort, am äußersten Rand der neuen Theorien müssen sich auch die Bedingungen herausfinden lassen, unter denen materielle Objekte vom Zwang der lineare Abfolge der "Jetztpunkte" befreit sind. Nicht nur die ganz großen Objekte im Universum, sondern auch die winzig kleinen Objekte, die Grundbausteine der Materie, zeigen Eigenschaften, die sich irgendwie dem Zugriff der linearen Zeit entziehen. Wenn Raum und Zeit aus den Fugen geraten, warum sollten dann Objekte nicht auch aus der Gegenwart heraus- und in die Zukunft hineinfallen können? Wir werden in den nächsten Kapiteln untersuchen, welche komplizierten Raumzeitverhältnisse in unserem Universum tatsächlich auftreten können und welche Hinweise die Natur uns gibt, wie man die Zeitdimension manipulierne könnte.

Die Relativitätstheorie nach Einstein besagt, dass für Körper in einem bewegten System die Zeit in Bezug auf ein ruhendes System langsamer vergeht. Wenn sich das System der Lichtgeschwindigkeit nähert, verlangsamt sich der Zeitlauf immer mehr. Im Grenzfall der Lichtgeschwindigkeit selbst existiert in Bezug auf das Ruhesystem keine messbare Dauer der Zeit. Verbindet man ein reisendes Photon, das Träger der Lichtwelle ist, mit einer Uhr, so muss diese Uhr immer die Zeit Null anzeigen. Für das Photon ist unsere Welt in einer Art ewiger Gleichzeitigkeit einfach nur vorhanden. Auch bei anderen Prozessen der Elementarteilchenphysik sind, wie wir heute wissen, Probleme mit der Messung der Zeit unvermeidlich. Irgendwie ist es den modernen Physikern gelungen, die uns vertraute Zeit des Alltags nachhaltig zu entfremden. Im Zoo der Elementarteilchen und im Dickicht der relativistischen Formeln ist unsere Anschauung von Zeit unwiederbringlich verloren gegangen. Manchmal fühlt man sich an eine Alice-im-Wunderland-Welt erinnert. Alice erlebt in der Wunderwelt phantastische Wesen, unlogische Ereignisfolgen und einen chaotischen Wechsel der Maßstäbe. Ihre normalen Begriffe von langsam und schnell, groß und klein werden bei jeder weiteren Begegnung mit den Bewohnern des Wunderlands in verwirrender Weise außer Kraft gesetzt. Und die modernen Physiker glauben tatsächlich, dass unsere Welt im Grunde ähnlich strukturiert ist.

Der Physiker John Archibald Wheeler erklärt sogar, dass Begriffe wie Vorher und Nachher, Zukunft und Vergangenheit in der Mikrowelt der Quantenfluktuationen keine Bedeutung mehr besitzen. Wheeler interpretiert z.B. die Beobachtung eines Photons, das eine Photoplatte schwärzt, als einen Akt, der die Vergangenheit beeinflusst. Das Ereignis der Vergangenheit, das zur Aussendung des Photons geführt hat, wird erst in der Gegenwart durch die erfolgte Beobachtung festgelegt. Es ist dem Alltagsmenschen nur schwer zu erklären, wie die Gegenwart die Vergangenheit erschaffen soll.

Aber die Physiker lassen keinen Zweifel daran, dass sie es mit solchen Überlegungen ernst meinen. Der interessierte Laie wird daher zu der Vermutung gedrängt, dass Zeit und Welt möglicherweise komplizierter sind, als wir es uns je vorstellen können. Mit Staunen stellt er fest, dass die Gleichungen, die unsere Welt physikalisch beschreiben, nur von wenigen Fachleuten verstanden werden. Damit ergibt sich die verwunderliche Lage, dass die modernen Ergebnisse der Physiker sich letztlich als noch phantastischer herausstellen, als es sich die besten Science-Fiction-Autoren in ihren Romanen haben ausdenken können. Warum sollte dann eine funktionierende Zeitmaschine unglaublicher erscheinen als das, was moderne Physiker bereits eingesehen haben? An den Rändern unserer ultramodernen Weltmodelle zerfließt die Zeit, wie wir sie kennen. Es wird Zeit, dass wir die zerfließende Zeit mit einer speziellen Maschine wieder in den Griff bekommen.

Die Physiker kennen exakte Gesetze, die die Unmöglichkeit eines praktisch funktionierenden Perpetuum Mobile aussagen. Im Gegensatz dazu sind keine Gesetze bekannt, die das Funktionieren einer Zeitmaschine direkt verbieten. Eine Ursache dafür liegt in der Tatsache, dass wir das Phänomen Zeit und das Wesen zeitlicher Prozesse noch nicht völlig verstanden haben.

Mit Einstein wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts die bis dahin etablierten Vorstellungen über die Zeit in Frage gestellt und im Begriffsgebäude der Physik radikal revolutioniert. Es ist eine interessante Spekulation, ob nicht zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine weitere Revolution unserer Auffassungen von Zeit notwendig sein wird. Es mehren sich die Zeichen, dass der aktuelle Zeitbegriff der Physiker zu eng gefasst ist, um die komplexen Naturprozesse korrekt zu beschreiben. Unser Universum ist, wie die modernen Astrophysiker leider zugeben müssen, voll von seltsamen Objekten, für die es noch keine rundum zufriedenstellende Erklärung gibt. Sogenannte Quasare, Pulsare, Neutronensterne, Radiogalaxien und kosmische Röntgenquellen sind Gegenstand intensiver Forschungen, doch die Theorie kann mit der Flut von merkwürdigen und äußerst interessanten Beobachtungen kaum noch Schritt halten.

Und gerade diese Objekte sind es, bei denen Masse, Energie und Gravitation so konfiguriert sind, dass die Zeit aus den Fugen gerät In den unterschiedlichen Bezugssystemen und in der Nähe von großen astronomischen Massen dehnt sich die Zeit, läuft beschleunigt ab, biegt sich, verschwindet hinter einem Ereignishorizont, stürzt auf eine Singularität, läuft im negativen Raumbereich zurück und steht still. Jedenfalls behaupten das die allgemein akzeptierten Standardtheorien. Und genau dort hoffen die Physiker Hinweise der Natur zu finden, wie eine Zeitmaschine funktionieren könnte. Maschinen, die die Geometrie lokaler Raumzeitgebiete dynamisch verändern können, sind daher erste Kandidaten für erfolgreiche Zeitmaschinen.

Für eine zukünftige Chronotechnik gilt es herauszufinden, ob und wie die Natur den Verlauf der Zeit verdrehen und zurück biegen kann. Haben wir erst einmal erkannt, welche Lösungen die Natur für das Umbiegen der Zeit anzubieten hat, dann wird sich auch eine technische Lösung im menschlichen Maßstab finden lassen. Sinn und Zweck einer Zeitmaschine ist es, die Zeit der Gegenwart mit einer Zeit der Vergangenheit oder der Zukunft direkt zu verbinden. Gelingt dies, dann würde eine geschlossene Zeitschleife erzeugt. Jeder Punkt der gekrümmten Zeitlinie läßt mit einem Ereigniss an einem Ort verbinden lassen, so entsteht ein Ring von Ereignissen. In diesem Ring können Wirkungen noch vor ihren Ursachen auftreten. Wir starten im Ereignis A und bewegen uns auf der geschlossenen Zeitlinie in die Richtung weiter, die wir als Zukunft definiert haben Wir werden auf dieser Linie nach einiger Zeit den Punkt B erreichen. Von B können wir auf der geschlossenen Zeitlinie weiter nach A gehen. Da wir von B zeitlich vorwärts nach A gegangen sind, muss A in unserer Zukunft liegen. Gleichzeitig ist A aber Vergangenheit. Daraus schließen wir, dass B und A "gleichzeitig" in der Zukunft und in der Vergangenheit liegen. Wer immer sich auf dieser geschlossenen Zeitlinie bewegt, kann seine eigenen Vergangenheit kontaktieren, obwohl er sich in seiner eigenen Lebenszeit, Teilabschnitt der Zeitlinie, immer vorwärts bewegt.

Wie wir wissen, sind Zeitmaschinen zur Zeit noch rein hypothetische Maschinen; doch wir wissen auch, dass sich menschlicher Erfindergeist von Träumen über das technische Wunder leiten lässt. Wie bei jeder phantastischen Idee, die nach Realisation drängt, gibt es enorme Widerstände, die in Lehrmeinungen und bei den professionellen Wissenshütern noch tief verankert sind. Diejenigen, die die Existenz einer Zeitmaschine aus wissenschaftlichen Gründen vorab für unmöglich erklären, sollten wissen, dass sie ebenso beweispflichtig sind, wie die Forscher, die die Zeitmaschine aus den Träumen eines H.G.Wells in die Realität holen wollen. Gerade die Wissenschaft ist mit der Methode angetreten, Vorurteile unparteiisch aufzuklären. Jede Behauptung, dass es Zeitreisen geben kann, muss unvoreingenommen untersucht werden.

Eine Ablehnung ohne eine genaue und methodisch einwandfreie Prüfung kommt für die Methode der Naturwissenschaften nicht in Frage; selbst die härtesten Gegner jeder ernsten Beschäftigung mit einer Theorie zu Zeitmaschinen, müssen dies zugeben. Das Streben aktiver Physiker, die Grenzen physikalischer Gesetze zu testen und die bekannten Gesetze der Physik mit Phantasie und Scharfsinn zu erweitern, darf vor einem aus dem Gefühl provozierten "Unmöglich" nicht Halt machen. Da die Wissenschaft den Anspruch erhebt, Vorurteile methodisch zu bekämpfen, darf es ihr zugemutet werden, sich mit den zentralen Fragen zur Zeitmaschine unvoreingenommen auseinander zu setzen:





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