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Kapitel 4:

Warten auf den galaktischen Zeitbus


Über Jahrzehnte haben kompetente Wissenschaftsjournale Artikel über eine Theorie von Zeitmaschinen und Zeitreisen prinzipiell abgelehnt; in der Regel wurden die vorgelegten Argumentationen als unseriös eingestuft. Die Behauptung, dass funktionierende Zeitmaschinen mit den anerkannten Standardtheorien der Physik unvereinbar sind, wurde in den Rang eines Grundsatzes erhoben. Die Folgerungen, die sich aus der physikalischen Existenz einer Zeitmaschine ziehen lassen, erschienen den modernen Wissenshütern als zu bizarr.

Daher ist es sehr erstaunlich, dass die Herausgeber des hoch angesehenen Journals Physical Review Letters im Frühjahr 1988 einen Artikel der Physiker Kip Thorne, Mike Morris und Ulvi Yurtsever abdruckten, der sich explizit mit physikalischen Überlegungen zur Existenz von Zeitmaschinen befasst . In diesem Artikel wurde die etablierte wissenschaftliche Welt zum ersten Mal mit dem Zeitmaschinenproblem in der Fachsprache konfrontiert. Ihre Motivation, so sagen die Autoren freimütig, haben sie durch eine Anfrage des 1997 verstorbenen Autors und Wissenschaftlers Carl Sagan bekommen.

In seinem Entwurf für das Buch Contact reflektierte Professor Sagan über die Kommunikation mit einer außerirdischen Zivilisation. Beim Schreiben seines Buches wollte er so wissenschaftlich exakt wie möglich vorgehen. Wie wir heute wissen, ist die Reise mit einem Raumschiff zum Zentrum der Milchstraße nicht praktikabel; die Reisedauer übersteigt die derzeitige Lebensspanne der Erdbewohner. Carl Sagan war nicht klar, ob die modernen Physiker stichhaltige Argumente für die Durchtunnelung der Raumzeit besaßen und ob sie überhaupt etwas von hyperdimensionalen Abkürzungen hielten.

Mit dieser Anfrage erweckte Carl Sagan die wissenschaftliche Neugier vor allem der drei kalifornischen Physiker. Durch ihre Untersuchung wollten sie nicht etwa beweisen, dass die gegenwärtige Wissenschaft in der Lage sei, Zeitmaschinen zu konstruieren. Ihr Hauptargument basiert auf der Idee, die äußersten Grenzen der theoretischen Physik im Gedankenexperiment auszuloten.

Normalerweise fragen die theoretischen Physiker: " Was sind die Gesetze der Physik?" und/oder "Was sagen diese Gesetze über das Universum aus?" . In diesem Artikel fragen wir stattdessen: "Welche Einschränkungen besitzen die Gesetze der Physik für eine beliebig weit fortgeschrittene Zivilisation." Wir begannen daher mit der Fragestellung, ob die Gesetze der Physik einer beliebig weit fortgeschrittenen Zivilisation erlauben, ein Wurmloch für den interstellaren Verkehr zu konstruieren .

Hier liegt das spekulative Element im Begriff der "beliebig weit fortgeschrittenen Zivilisation". Für die Autoren ist demnach eine galaktische Zivilisation beliebig weit fortgeschritten, wenn sie in der Lage ist, technisch alles zu realisieren, was möglich ist, ohne gegen die Grundgesetze der Physik zu verstoßen. Diese Superzivilisation sollte daher im Prinzip jedes mögliche physikalische Experiment, insbesondere auch Experimente im kosmischen Maßstab, ausführen können. Und wenn die physikalischen Gesetze Zeitreisen, in welcher Form auch immer zulassen, dann liegen sie mit Sicherheit in technologischer Reichweite einer weit genug entwickelten Zivilisation.

Noch hat die Vorstellung einer zeitreisenden Superzivilisation für uns Erdlinge rein imaginären Charakter; doch die mathematische Analyse von Kip Thorne und seinen Mitarbeitern vom Caltech-Team ist ein erster wenn auch vorsichtiger Schritt in die außergewöhnlichen Möglichkeiten unserer galaktischen Zukunft. Die theoretischen Untersuchungen der drei Physiker des Caltech-Teams erregten großes Aufsehen; vorsichtig formuliert behaupteten die Physiker um Kip Thorne, dass funktionierende Zeitmaschinen im Prinzip mit den physikalischen Grundgesetzen vereinbar sind.

Den fachlichen Äußerungen der in diesem Forschungsgebiet aktiven Physiker lassen sich natürlich beliebige Spekulationen anfügen, die weit über das hinausgehen, was methodisch saubere und exakte Wissenschaft erlaubt. Phantasiebegabte Geister nehmen an, dass technische Superzivilisationen unsere Galaxis schon das realisiert haben, was Carl Sagan in seiner Fiktion beschrieben hat.

Die Wahrscheinlichkeit, dass galaktische Superzivilisationen existieren ist nicht Null. Niemand kann außerirdische Zivilisationen auf Planeten von entfernten Sonnen mit Bestimmtheit ausschließen. Überall im Universum wirken die gleichen Naturgesetze. Die Zahl der Sonnen, die theoretisch Planeten tragen können, ist gewaltig groß. Leben, Evolution und das Auftreten von technischer Intelligenz sind daher nicht als einmalige Ereignisse auf einem unbedeutenden Planeten am Rande der Galaxis vorstellbar. Irgendwo und irgendwann müssen sich die Entwicklungen im Universum wiederholen oder zumindest sehr ähnlich ablaufen. Auch wenn wir noch keinen Kontakt mit anderen Zivilisationen hergestellt haben, spricht vieles für die Existenz von außerirdischen Kulturen im Sternenraum. Die Logik der Evolution lässt auch die Annahme zu, dass fremde Sternenkulturen bereits ein extrem hohes technisches Niveau entwickelt haben; sie könnten uns mit ihrer Technik unvorstellbar weit voraus sein. Ebenso wie Steinzeitmenschen unsere Technik als unglaubliche Wunder empfinden würden, würden wir die technischen Errungenschaften einer galaktischen Superzivilisation als reine Magie erfahren. Und falls irgendeine technisch hochstehende Zivilisation das Geheimnis der Zeit gelöst hat, ist es durchaus vorstellbar, dass sie den gesamten Kosmos über die Zeitdimension erforschen. Daher lässt sich die These vertreten, dass intergalaktische Reisen nur möglich sind, wenn die Beschränkungen durch die Zeitmauern in irgendeiner Form überwunden werden können.

Denn nur die Herrschaft über die Zeit garantiert den Weg zu den Sternen. Mit den ungeheuren Entfernungen im Kosmos kann eine kosmische Zivilisation nur fertig werden, wenn sie die Eigenzeit, die zur Überbrückung dieser Distanzen erforderlich ist, weitgehend verkürzt. Wer die Geometrie des Raums beherrscht, der beherrscht auch die Zeit und öffnet sich so das Tor zu den Sternen. Wenn eine Technik in der Lage ist, den Raum beliebig zu krümmen, dann ist auch die Kontrolle über die Zeit absolut. Es gibt daher gute Argumente für die Annahme, dass die Kontrolle von Schwarzen Löchern oder verwandten Objekte, die die Zeit verdrehen, in der Reichweite der galaktischen Supertechniker liegt. Es ist auch wahrscheinlich, dass die fortgeschrittenen Sternenkulturen in unserer Galaxis die natürliche Topologie des Raumes und der Zeit an vielen Stellen künstlich aufgebrochen haben. Mit einem Netz von galaktischen Raumzeittunneln erhalten die Superzivilisationen grundsätzlich Zugang zu allen Zeiten und Räumen. Und die Möglichkeit, dass wir ein solches intergalaktische Netz von Tunneln in der Raumzeit entdecken können, ist durchaus gegeben. Nur müssen wir herausfinden, was und wo wir beobachten sollten.

Unsere astronomische Wissenschaft ist mit ihren hochwertigen Beobachtungsinstrumenten weit genug entwickelt, um Indizien für die Überprüfung derartiger Spekulationen aufzuspüren. Was zur Zeit noch fehlt sind Detektoren, die eine spezielle und lokale Krümmung des Raumes in weiter Entfernung entdecken können.

Wie unsere Physiker heute schon vermuten gibt uns die totale Kontrolle über Masse und Raum auch die Option, die Mauern der Zeit zu überwinden. Und genau dort, wo sich die Geometrie des Raumes im Universum merkwürdig verhält, müssen sich auch die topologischen Schnitte in der Raumzeitkontinuum finden lassen, die von einer Superzivilisation künstlich erzeugt wurden. Offiziell haben wir allerdings noch keinen Kontakt mit einer außerirdischen Zivilisation aufgenommen. Die fehlende Kontaktaufnahme liegt möglicherweise an den Unzulänglichkeiten der menschlichen Spezies, die nicht nur technischer Art sind. Wer die sozialen und ethischen Probleme der gegenwärtig die Erde beherrschenden Menschheit kennt, weiß, dass unsere moralische und soziale Reife mit der technologischen Entwicklung nicht Schritt gehalten hat. Zu große technologische Macht, gepaart mit Unreife und Aggression, führt unweigerlich in eine evolutionäre Sackgasse. Dies liegt sicher nicht im Interesse der galaktischen Superzivilisationen. Wir müssen uns die Reife zur Supertechnologie selbst erarbeiten. Außerirdisches "Know How" und die "Magie" einer Supertechnik darf einer Menschheit, die ihre aggressiven Konflikte und ihre sozialen Probleme noch zu lösen hat, nicht einfach geschenkt werden.

Die Gefahr des Missbrauchs einer Technologie, die ein gigantisches Energiepotential besitzt, ist zu groß und könnte in den Händen machtgieriger und antisozialer Kräfte die endgültige Zerstörung des Planeten Erde heraufbeschwören. Es ist daher zu vermuten, dass sich die kosmischen Superzivilisationen bewusst zurückhalten. Erst wenn wir in Frieden und Harmonie miteinander leben können, erfüllen wir die Reifebedingung für die Aufnahme in die galaktischen Förderation der multikulturellen, zeitreisenden Sternenzivilisationen. Vielleicht beobachten uns die Superzivilisationen und hoffen darauf, dass wir die Prüfung bestehen, die uns die Herrschaft über die Zeit garantiert. Erst dann können wir mit wohlwollender Hilfe beim Aufbau einer intertemporalen Kommunikationstechnik rechnen. Unsere heutige Zeit und unser lokaler Raum, d.h. die Erde, steuern mit Sicherheit auf eine kritischen Schwelle zu, die sowohl technologischer als auch sozialer Natur ist. Es ist daher auch eine Schwelle zur direkten Begegnung der dritten Art. Science-Fiction-Autoren erproben zukünftige Szenarien der Begegnung mit Außerirdischen in unzähligen Varianten. Für die Phantasiebegabten unserer modernen Zeit steht unwiderruflich fest: Das Warten auf den galaktischen Bus hat schon begonnen. Wenn wir eines Tages das Ticket für diesen Bus lösen wollen, dann müssen wir die Zeitmaschine erfinden.





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