Die Zeitreise zwischen zwei Ereignissen P und Q, die kürzer dauern soll, als deren
zeitliche Trennung in der normalen Raumzeit, muss die Grenzen der "normale" Raumzeit
zwangsläufig durchtunneln. Das Aussteigen aus der gewöhnlichen Raumzeit, um zu anderen
Orten und Zeiten scheinbar aus dem Nichts aufzutauchen, macht die höher-dimensionalen
Welt zu einem höchst spekulativen Ort. Dabei muss man sich den Raumzeit-Tunnel als
Abkürzung durch einen Hyperraum vorstellen, in dem unser normaler Raum eingebettet ist.
Als anschauliches Beispiel für diese höherdimensionalen Verhältnisse mag eine gekrümmte
zweidimensionale Fläche im Raum dienen. Biegt man eine Fläche weit genug in der dritten
Dimension, so können sich zwei verschiedene Teile der Fläche beliebig nahe kommen.
  
  Abb.Wurmloch
  
Um nun zwischen den im Raum benachbarten Flächenstücken einen Durchbruch in der dritten
Dimension zu schaffen, muss man eine wenig "Flächenchirurgie" anwenden. Die benachbarten
Flächenteile werden an zwei Stellen kreisförmig aufgeschnitten. Es entstehen kreisförmige
Schnittränder. Die beiden Ränder werden nun nahtlos miteinander verschweißt. Um zwei getrennt
Punkte auf den Flächen zu erreichen, gibt es nun zwei Wege, den kurzen durch das präparierte
Loch und den langen Weg außen herum.
In analoger Weise benutzt ein Apfelwurm, der zu einem Oberflächenteil auf der anderen Seite
des Apfels gelangen will, die Abkürzung durch die dritte Dimension. Da der Apfel rund ist,
führt der kürzeste Weg den Wurm nicht auf der Apfeloberfläche entlang , sondern direkt durch
den Apfel hindurch. Das Universum ist zwar keine Kugel, aber es ist ebenfalls gekrümmt.
Das Licht versucht im gekrümmten Raum immer den kürzesten Weg zu nehmen, d.h. es bewegt
sich entlang einer sogenannten geodätischen Linie. Mit einem Wurmloch lassen sich
tatsächlich noch kürzere Wege durch die Raumzeit finden.
  
Im Prinzip kann man mit einem Wurmloch sogar das Licht im "Normalraum" überholen. Ebenso wie
eine Wurm überraschend aus einem Loch im  Apfel hervorkommt, kann der Raumzeitreisende via
Wurmloch  plötzlich in einem anderen, weit entfernten Raumgebiet auftauchen.  Natürlich ist
das eine nur einfache Analogie. An einem Wurmloch unserer Raumzeit sind höhere Dimensionen
beteiligt, die sich nur mit komplizierter Mathematik und unanschauliche Formeln beschreiben
lassen.
 
  
Über eine spezielle Version von Wurmlöchern hatten die Physiker bereits im ultra-mikroskopische
Bereich  spekuliert. Die Wurmlöcher der Quantentheorie sind um eine Größenordnung  von 1020
kleiner als der Radius eines Atoms. In dieser Größenordnung sind die Newtonschen Gesetze von
Raum und Zeit ohne große Bedeutung, dort findet sich die Welt der unsteten Quanten und  die
permanenten Fluktuationen des Vakuums. In extrem kleinen Bereichen hat sich der leere Raum
als äußerst dynamisches Gebilde herausgestellt. Sogenannte Quantenfluktuationen erzeugen und
vernichten in einem unablässigen Wechselspiel virtuelle Teilchen. Ein mögliches Resultat der
Vakuumfluktuationen ist die Ausbildung von unzähligen ultra-mikroskopisch kleinen Wurmlöchern,
die verschiedene Teile des Raumes verbinden.  Der Raum besitzt in der Größenordnung der
Plankschen Länge, das sind 1.3 * 10 -33  cm, eine extrem verwickelte Geometrie.
  
Tatsächlich eröffnen die subatomaren Wurmlöcher Wege in die Vergangenheit und die Zukunft.
Allerdings bleiben diese Verbindungen nur etwa 10 -42 Sekunden zugänglich, d.h. die
Verbindung mit der Vergangenheit ist sehr kurzlebig.  Der sogenannte Quantenschaum setzt sich aus
unzähligen Wurmlöchern zusammen, die jeden Teil des Raumes mit jedem anderen verknüpfen.
Die Größe der Eintritts- und Austrittsöffnungen der Quantenwurmlöcher ist ebenfalls in der
Größenordnung der Plankschen Länge. Das ist um viele Zehnerpotenzen kleiner als die kleinsten
Elementarpartikel. Daher ist es zum Beispiel für ein Elektron unmöglich, diese extrem kleinen
Quantentunnel in der Raumzeit zu durchqueren.
 
 
Abb.  (Quantenschaum)
  
Die ersten Ideen über Wurmlöcher tauchten schon vor vielen Jahrzehnten auf. Schon vor 35 Jahren
wurde die Vermutung geäußert, dass die elektrischen Elementarteilchen den 3-D-Raum öffnen und
tunnelartige Verbindungen zu anderen Ladungsträgern ausbilden. Elektrische Feldlinien laufen
im Außenraum nicht nur vom der positiven Ladung zur negativen Ladung, sondern sie laufen
hyperdimensional über ein Wurmloch in sich zurück. Feldlinien sind  damit ohne Anfang und Ende,
da sie sich kreisförmig um das Wurmloch zusammenschließen.
Die Kraftlinien sind in Henkeln, Röhren und Tunneln des Raumes gefangen.
  
  
Die Idee, alle elementaren Partikel mit Wurmlöchern zu verbinden und die assoziierten
Wechselwirkungen auf eine universelle, geometrische Basis zu stellen, wurde in der
Fortsetzung der Allgemeinen Relativitätstheorie zu einem Programm erhoben. Die
Geometrodynamik versuchte alles, was ist, durch gekrümmten und verwickelten Raum zu
begründen. Dieses Programm hat sich trotz guter Ansätze letztlich nicht durchgesetzt. Die
Idee aber, dass der Raum in bestimmten  Bereichen  durch Wurmlöcher aufgebrochen und
topologisch vielfach zusammenhängend ist, blieb wichtiger Bestandteil von aktuellen
physikalischen Theorien.
    
  
Die Theorie über Wurmlöcher bekam Ende der 80-ziger Jahre einen neuen Impuls.
Der Physiker Kip Thorne erhielt von dem berühmten Wissenschaftsautor Carl Sagan
eine Anfrage, ob Raumzeittunnel theoretisch existieren können. Er schickte das
Manuskript einer Science-Fiction-Geschichte mit, in der eine kosmische Reise durch
Wurmlöcher beschrieben wurde. Carl Sagan wollte bei seiner Geschichte so wissenschaftlich
exakt wie möglich vorgehen. Diese ungewöhnliche Anfrage motivierte den Physiker Kip Thorne
und sein Team an der Caltech-Universität so sehr, dass sie ein eigenes Forschungsprojekt
starteten. Ziel dieses Projekts war es, herauszufinden, ob die aktuellen physikalischen
Theorien  stabile Tunnel in der Geometrie unserer Raumzeit überhaupt zulassen.
Sie untersuchten speziell Wurmlöcher, die nicht mit dem Gravitationszusammenbruch
eines Sternes in Verbindung stehen. Ein Wurmloch soll zwei entfernte euklidisch flache
Raumteile in Form eines interdimensionalen, röhrenartigen Durchgangs verbinden. Die
Physiker fanden zunächst heraus, dass die Allgemeine Relativitätstheorie Wurmlöcher dieser
Art nicht verbietet. Danach widmeten sie sich der Analyse, unter welchen physikalischen
Bedingungen ein Wurmloch stabil und im irdischen Maßstab passierbar sein kann. Sie sind von
der Art, wie sie Science-Fiction-Autoren annehmen, wenn sie super-galaktische Zivilisationen
beschreiben. Mit Makro-Wurmlöchern sollte es möglich sein, über kosmische Distanzen zu reisen
und Menschen, Material und Raumschiffe durch Abkürzungen der Raumzeit  zu navigieren.
  
Das Physikerteam um Kip Thorne fragte zunächst,  wie Wurmlöcher für eine potentielle Durchreise
oder Materietransport beschaffen sein müssen.  In den dazugehörigen Untersuchungen wurde die
theoretische Annahme gemacht, dass ein Wurmloch von geeigneter Größe bereits existiert. Wie
ein passierbares Wurmloch entsteht, ohne dass sich dabei durch Gravitationskräfte eine
Singularität oder ein Ereignishorizont ausbildet, wurde offen gelassen. Das hypothetische
Wurmloch erscheint sehr instabil und hat das Bestreben, sich bei kleinsten Störungen von
der Raumzeit abzuschnüren. Die Physiker fanden eine Methode, wie sich ein passierbarer
Durchgang unter Anwendung bekannter Gesetze offen halten lässt. Dazu ist  die Anwesenheit
von spezieller Materie notwendig. Um das Wurmloch vor dem Kollaps zu bewahren, müssen
ungeheure Gegenkräfte aufgewendet werden. Für Materie, die mit solchen Spannungen und
Energiedichten konkurrieren kann, müssen schon sehr merkwürdige Verhältnisse zutreffen.
Es ist kein Wunder, dass die Physiker den technischen Begriff der exotischen Materie einführten.
Mike Morris, Kip Thorne und Ulvi Yurtsever fanden heraus, dass sich durch exotische Materie eine
negative Energiedichte erzeugen lässt, die fähig ist, den Druck  von außen zu kompensieren.
Durch die negativen Masse  entsteht Antigravitation, und die genau wird gebraucht, um die destruktiven
Gravitationskräfte im Wurmloch auszubalancieren. Allerdings muss zugegeben werden, dass negativen Massen
den herkömmlichen Physikvorstellungen nicht ganz entsprechen. Unter der Annahme, dass exotische Materie
existiert und verfügbar ist, haben die drei Physiker gezeigt, dass sich ein Wurmloch stabilisieren lässt.
Bei optimalen Bedingungen reduzieren sich die Gezeitenkräfte und die gefährliche Strahlung auf
ein verträgliches Maß, so dass die Passierbarkeit für Objekte der irdischen Größenordnung gesichert ist. Da
in diesem Fall auch kein Ereignishorizont existiert, der eine Rückkehr verhindern würde, ist das Wurmloch von
beiden Seiten her zugänglich und durchlässig.
  
  
Für die Wurmlochtheoretiker zeigte sich bald, dass die theoretisch postulierte Form von
exotischer Materie einen bereits bekannten experimentellen Hintergrund besitzt. Der holländische
Physiker Casimir entdeckte 1942, dass sich zwei elektrisch leitende Platten, zwischen denen
sich ein Vakuum befindet, mit einer kleinen Kraft anziehen. Dieser nach ihm benannte Effekt
wurde durch die Existenz einer negativen Massendichte erklärt. Auf dieser Idee könnte die
Erzeugung exotischer Materie aufbauen. zur Zeit ist die irdische Physik allerdings noch
weit entfernt von einer effektiven Handhabung der exotischen Materie. Vor dem Problem,
wie ein Makrowurmloch offen gehalten werden soll, steht allerdings die Frage nach der
Erzeugung eines Wurmlochs. Ein Verfahren wäre, ein mikroskopisches Wurmloch einzufangen
und wie auch immer auf makroskopische Größe aufzublasen. Neuere Ideen zeigen, dass man
durch das sogenannten Zusammendrücken des Vakuums negative Energiedichten erzeugen kann,
die direkt zu Makrowurmlöchern führen. Wie Morris, Thorne und Yurtsever herausfanden,
müssen bestimmte zusätzliche physikalische Bedingungen erfüllt sein, um die
Kontrollierbarkeit und Passierbarkeit eines Wurmlochs zu sichern:
 
(1)  Das Wurmloch muss eine Mindestgröße erreichen, um den
     Durchgang von Raumschiffen irdischer Größenordnung zu
     ermöglichen. 
(2)   Exotische Materie, in welcher Form auch immer, muss
      existieren und für menschliche Techniker verfügbar sein. 
(3)  Die gravitativen Gezeitenkräfte sind auf eine für
     biologische Lebewesen verträgliche Größenordnung
     einzugrenzen.  Ebenso sind Lebewesen von der potentiell
     schädlichen Wirkung von exotischer Materie zu schützen.  
(4)  Die Durchgangszeit darf sich relativistisch nicht zu sehr
     dehnen, so dass sowohl Durchreisende als auch Beobachter an
     den Enden des Wurmloches die Reise in ihrer Eigenzeit
     erleben können.    
(5)         Die für die Ausbalancierung der zusammenschnürenden
     Kräfte notwendige exotische Materie muss kontrollierbar sein. 
(6)  Das Wurmloch darf nicht mit einem Ereignishorizont
     verbunden sein, damit es in beide Richtungen passierbar
     werden kann.   
(7)         Die mit dem Wurmloch verbundenen Öffnungen, Eingänge
      und  Ausgänge in die normale Raumzeit, lassen sich
       kontrolliert im Raum verschieben. 
 
 
Das makroskopische Wurmloch könnte nicht nur das Tor zu den Sternen öffnen, es würde auch
die Zeit überwinden.  Ein Wurmloch das ins Zentrum der Milchstraße gerichtet ist, überbrückt
in Sekunden eine Entfernung von 30000 Lichtjahren. Die Existenz von Wurmlöchern in
passierbarer Makroausgabe ermöglicht so durch Distanzannullierung, den Raum zu durchtunneln.
Ob die Reise mittels Distanzannullierung zu jedem beliebigen Ort in unserem Universum
durchgeführt werden kann, ist theoretisch nicht ganz klar. Die von der Relativitätstheorie
geforderte Koppelung von Raum und Zeit wirft auch Frage auf, ob die Wurmlöcher auch Wege ins
Irgendwann öffnen.  Das dies so ist, lässt sich mit den Arbeiten von Kip Thorne und seinem
Caltech-Team eindeutig nachvollziehen. Die Bedingung (7) ist es, die den Weg für eine
Zeitreise frei macht. Die Relativitätstheorie besagt, dass die Zeit für ein Objekt langsamer
vergeht, wenn es sich in einem Bezugssystem mit fast Lichtgeschwindigkeit bewegt. Darauf baut
das Verfahren der Zeitreise durch ein Wurmloch auf. Nur wenn es zukünftiger Chronotechnik
gelingt, Ausgang und Eingang eines Wurmloches relativistisch gegeneinander zu verschieben,
eröffnen sich Wege in die lokale Vergangenheit.  Das eine Ende das Wurmloches wird räumlich
fixiert, während das andere Ende mit fast Lichtgeschwindigkeit bewegt wird. Ein potentieller
Uhrzeiger in der bewegten Mündung des Wurmloches dreht sich nach den Gesetzen der
Relativitätstheorie langsamer als der Uhrzeiger des fixierten Einganges. Dadurch wird eine
relative Zeitdifferenz zwischen den beiden Öffnungen des Wurmloches erzeugt. Danach bringt
man die bewegte Öffnung des Wurmloches wieder in die Nähe des unbewegten Einganges.
Vorausgesetzt beide Öffnungen sind nach der Bewegung in unmittelbarer Nachbarschaft im Raum,
so sind sie für einen lokalen Beobachter zeitlich in der Gegenwart präsent und zugänglich.
Es zeigt sich, dass ein Beobachter, der das Wurmloch von dem Ende durchquert, das sich bewegt
hat, das Wurmloch am anderen Ende zeitlich früher verlässt, als er in das Wurmloch  eingetreten
ist. Er ist tatsächlich rückwärts in der Zeit gereist. Niemals aber kann er in eine Zeit
gelangen, die vor der Bewegung der Öffnung des Wurmloches zur Erzeugung der Zeitdifferenz
liegt.
  
Das hier erläuterte Verfahren ist eine direkte Folgerung aus der Relativitätstheorie. Die
Theorie scheint daher die Zeitmaschinen nicht zu verbieten. Doch die daraus resultierenden
praktischen Probleme türmen sich in unerreichbare Höhen:
  
(1)        Es ist nach heutigem Stand kein Verfahren in Sicht, wie ein solches Quantenwurmloch
        eingefangen, vergrößert und stabilisiert werden könnte.
  
(2)        Die Existenz exotischer Materie ist noch nachzuweisen. Auch ist unklar, wie man
        exotische Materie technisch handhaben kann.
  
(3)        Nach neuestem Stand der Theorie gibt es Zweifel, dass ein Wurmloch als
        Zeitmaschine überhaupt funktioniert. Es gibt Hinweise, dass mit der Schaffung
        der Zeitmaschine Quantenfluktuationen verbunden sind, die in einer sehr kurzen
         Zeitspanne anwachsen und das Wurmloch zerstören.  
  
 
Was zur Zeit gesagt werden kann ist: die Existenz passierbarer und makroskopischer Wurmlöcher
ist weder eindeutig bewiesen, noch widerlegt. Es gibt einige ernstzunehmende Indizien,
die Wurmlöcher als möglich erscheinen lassen. Ob sich Wurmlöcher als effektive Zeitmaschinen
eignen, hängt wesentlich von einer erweiterten Theorie der Quantengravitation ab. Wir wissen
noch zu wenig, um Quantenmechanik und Relativitätstheorie überzeugend genug zu
vereinheitlichen. Es muss deutlich gesagt werden, dass es den Physikern aus dem
Caltech-Team in ihrer Analyse  nicht darum ging, eine Zeitmaschine zu erfinden.
Ihr Hauptanliegen war es, die Grenzen der bestehenden Theorien auszuprobieren.
Sie selbst äußern sich eher mit zurückhaltender Skepsis über die Möglichkeit von
realen Zeitmaschinen. Kip Thorne selbst meint, dass wir von der praktischen Realisierung
passierbarer Wurmlöcher noch weiter entfernt sind als die Höhlenmenschen der Steinzeit
vom Bau einer Weltraumrakete.
 
  
Die bisherigen Modelle schöpfen die Komplexität der Einsteinschen Gleichungen nicht voll aus
und stellen daher idealisierte Vereinfachungen dar. Es ist denkbar, dass realistischere
Modelle neue Verhältnisse einbringen die geschlossene Zeitkurven als natürliche Eigenschaften
der Raumzeit nachweisen. Die aktuellen Theorien der Wissenschaften können Zeitreisen und
passierbare Tunnel durch die Raumzeit nicht mehr ausschließen.  Das  ist die vorsichtige
Botschaft von Mathematikern, Physikern und Astrophysiker, die die Grenzen ihrer Theorien
erproben.
     |