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Kapitel 17:

Parallele Welten und die Vollzahl der Zeiten


Im Jahre 1957 entwickelte der Princeton Physiker Hugh Everett eine Deutung der Quantentheorie, in der die reale Existenz einer Vielzahl von fremden Universen angenommen wird. Die Everettsche Interpretation der Quantentheorie ist eine theoretische Alternative zur allgemein anerkannten Kopenhagener Deutung. Atomare Ereignisse unterliegen Wahrscheinlichkeitsgesetzen, die durch eine Wellenfunktion beschrieben werden. Die Wellenfunktion gewichtet die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines bestimmten, zukünftigen Ereignisses. Die Physiker haben sich immer darüber gewundert, dass die Wellenfunktion nicht voraussagen kann, welches von den alternativ möglichen Ereignissen nachweisbare Realität wird.

Das Universum entscheidet sich für ein Ergebnis, alle anderen möglichen Resultate sind nur theoretisches Beiwerk. Warum die Wahl des Universums auf ein bestimmtes Ergebnis fiel, bleibt in der Kopenhagener Deutung der Quantentheorie ungeklärt. Die Physiker sprechen vom "Zusammenbruch der Wellenfunktion". Die Basisidee von Hugh Everett war nun, diesen Zusammenbruch der Wellenfunktion aufzuheben durch die phantastische Forderung, dass alle Möglichkeiten für das Ergebnis eines atomaren Prozesse real sind. Da unser Universum nur eine Alternative als Realität zulässt, können sich die anderen Alternativen nur in einem anderen Universum ereignen. Jede Möglichkeit realisiert sich in ihrem eigenen Universum. Daher spaltet sich das jeweils aktuelle Universum in jeder Sekunde in eine unermessliche Zahl von Zweigen auf. Ein Beobachter misst immer nur ein Ereignis. Der Beobachter in einem Paralleluniversum unterscheidet sich von dem Beobachter des ersten Universums erst nach der Verzweigung. Die durch die Wahrscheinlichkeiten vorgegebenen alternativen Messergebnisse eines Versuches erzeugen gerade die Aufteilung des Universums, es entstehen mindestens zwei Beobachter in zueinander parallelen Universen. Beide stellen mit ihren Messapparaten zwei unterschiedliche Ergebnisse fest, und sonst gibt es keine Unterscheidung. Niemals kann der Beobachter selbst Zeuge der Aufsplitterung seines Universums werden. Die Zweige sind für ihn auf immer verloren, da sie andere Geschichten besitzen. Die Vielzahl der möglichen Ergebnisse einer Messung sind Verzweigungspunkte für fast identische Universen.

Da alle Materie im Universum aus Atomen zusammengesetzt ist, summieren sich die verschiedenen atomaren Geschichten zu unterschiedlichen Makroverhältnissen auf. In der ungeheuren Vielzahl der Alternativuniversen gibt es Universen, die unserem eigenen sehr ähnlich sind, anderen haben sich stetig von dem uns bekannten Bild wegentwickelt, so dass wir sie kaum wiedererkennen würden. Wenn wir die kosmische Geschichte des Universums betrachten, so stellt sie das Endresultat einer unermesslichen Zahl von Wahlentscheidungen dar, die aus einer unendlichen Zahl von Möglichkeiten getroffen wurde. Es sind durchaus Pfade für ein Universum denkbar, in denen sich kein fortgeschrittenes, intelligentes Lebens formiert hat, um die Vielzahl der Welten mit Staunen theoretisch zu erschließen.

Die Welt spaltet sich als Folge von Quantensprüngen unablässig in viele Zweiguniversen auf. Überträgt man diese phantastische Folgerung auf die Entwicklung der Geschichte der Menschheit, so sind alternative, sich gegenseitig ausschließende Ereignisfolgen in der Geschichte denkbar, die alle gleich wahr sind. Eine Geschichte ohne Hitler ist quantenphysikalisch real und erlaubt, ebenso wie die Realität, in der Napoleon die Schlacht bei Waterloo tatsächlich gewonnen hat.

Jede theoretische mögliche Wahl eines Menschen wird in der Natur auch realisiert, wenn auch in verschiedenen Universen. Die die physikalische Theorie der Vielen Welten behauptet die faktische Realität aller überhaupt möglichen Wahlentscheidungen, gleichgültig ob sie von einem Atom oder einem menschlichen Bewusstsein getroffen werden können. Die Verzweigungspunkte im Lebens eines Menschen sind so zahlreich, dass unzähligen Kopien eines Menschen in unzähligen Parallelwelten existieren, die mit vielfach veränderten Lebenslagen zu kämpfen haben. Leider sind sie von einer Kommunikation und einem hilfreichen Erfahrungsaustausch mit ihren vielen Varianten ausgeschlossen.

"Was wäre wenn", ist ein beliebtes Gedankenspiel der Menschen über verpasste Möglichkeiten im Leben. Die Behauptung eines anerkannten Physikers, dass alle die "Was wäre Wenn"-Phantasien der Menschen eine reale Existenz besitzen, klingt für den gesunden Menschenverstand schockierend. Es ist der Schock der absurden Vorstellung, dass ein Superuniversum 10100 Kopien eines einzigen Menschen enthält, der viele moderne Physiker an der Richtigkeit der Everett-Theorie zweifeln ließ. Dass diese 10100 leicht verschiedenen Duplikate sich ständig in immer mehr Varianten aufspalten, bis sie unter Umständen als Kopien nicht mehr anzuerkennen sind, steigert das Bild ins Unvorstellbare.

Die Viele-Welten-Theorie der Quantenmechanik erlaubt ein Superuniversum, in dem keine Möglichkeit unerfüllt bleibt. Alles was logisch erlaubt ist, ereignet sich auch. Allerdings behauptet sie die totale Trennung der alternativen Zukunftswelten. Aber wo liegen die unzähligen alternativen Welten mit den parallelen Zeitpfaden? Sie sind tatsächlich ziemlich nahe, aber wir können sie durch keine noch so ausgedehnten Reisen in Raum und Zeit erreichen. Es kann sein, dass der Leser dieses Buches nur Millimeter (bzw. eine winzige Entfernung in Richtung einer Hyperdimension) von unzähligen Kopien seiner Selbst entfernt ist. Da gibt es Kopien des Lesers, die das Buch in weniger als einer Minute aus der Hand legen, andere lesen in einem Zug bis zu Ende. Wieder andere haben in einer parallelen Zeit mit dem Buch noch gar nicht angefangen. Es wird auch Kopien des Lesers geben, denen das Schicksal widerfahren ist, dieses Buch überhaupt nicht in die Hände bekommen zu haben. Die Welten der sich ausbreitenden Kopien eines Menschen sind in einer Dimension aufgestapelt, die wir niemals kontrollieren können. Das Bild einer räumlichen Zusatzdimension ist nicht ganz exakt, es handelt sich eher um ein Überlagerung von gleichberechtigten Realitäten in einem Superraum. Es ist eine noch offene Frage, ob es nur eine endliche Zahl von parallelen Universen geben kann, oder ob sich die Universen ins Unendliche multiplizieren.

Der potentielle Zuwachs an parallelen Universen lässt sich noch vermehren, wenn man annimmt, dass sich zwei leicht verschiedene Universen wieder zu einer Version vereinigen können. In diesem Fall kann die Vereinigung zweier paralleler Universen umgekehrt auch als eine Verzweigung in Richtung Vergangenheit interpretiert werden. Ob der Vorgang als Verzweigung oder Vereinigung gesehen wird, hängt von der zeitlichen Orientierung ab. Eine Verzweigung in Richtung Zukunft ist eine Vereinigung in Richtung der Vergangenheit. Das Abzweigen der Universen auch in Bezug auf die Vergangenheit anzunehmen, ist eine direkte Folgerung aus der zeit-symmetrischen Schrödingergleichung. Da sich die Universen sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft vervielfältigen, ist eine endliche Anzahl von parallelen Universen nur noch schwer vorstellbar. Es darf sogar Universen geben, die sich in Richtung der Vergangenheit verzweigen und mit bestimmten Zuständen auf Zweigen der Zukunft identisch sind. Daher sehen einige Universen der Vergangenheit wie Abbilder der Zukunft aus. Ebenso bilden seltsame Zukunftsversionen Verwandtschaften zu vergangenen Universen aus.

Mit dieser Interpretation verliert auch die Vergangenheit ihre unveränderliche Eindeutigkeit. Da jedes denkbare Universum, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft, existent wird oder war, ist jede Ordnung der Zeit zerstört. Welten die sich beliebig hin und her vereinigen, auflösen, sich rückwärts und vorwärts in alle Möglichkeiten verzweigen, lassen den gesunden Menschenverstand und seine Vorstellung von Zeit im Chaos versinken. Um unsere Realität, die wir erleben, nicht einer kosmischen Beliebigkeit zu unterstellen, sind wir gezwungen die Vollzahl der anderen Universen mit einer Realität zweiter Ordnung zu versehen. Unsere erste und wahre Realität entspricht dem Zweig der Vergangenheit, mit dem unsere Erinnerungen übereinstimmen. Auch wenn wir über die Quantenprozesse mit Universen unserer Vergangenheit verknüpft sind, die unserer Zukunft ähnlich sind, haben sie für die Bestimmung der Realität unserer Gegenwart keine Bedeutung.

Ebenso ist die Vielzahl der vergangenen Universen, in denen zum Beispiel der 2.Hauptsatz der Thermodynamik ungültig ist, für unser gegenwärtiges Universum irrelevant. Für uns besitzt nur der vergangene Zweig reale Existenz, der mit den Fakten unseres Gedächtnisses übereinstimmt.

Die Zeit verliert in diesem kosmischen Netzwerk von unzähligen Pfaden, endlosen Verzweigungen und verwirrenden Verknüpfungen ihre Eindeutigkeit. Das Superuniversum der parallelen Welten ist ein Labyrinth, in dem unsere Begriffe von Zeit und Raum keinen Ausgang mehr finden. Aus der Viele-Welten-Theorie folgt auch, dass wir zu den Universen mit Realität zweiter Ordnung nur wenig Möglichkeiten der Kontaktaufnahme haben. Aus den physikalisch-mathematischen Analysen der Everett-Theorie folgt zweifelsfrei, dass die Existenz verzweigter Universen mit physikalischen Beobachtungsinstrumenten nicht ohne weiteres beweisbar ist. Das ist der schwache Punkt der Theorie. Eine Theorie, die Universen in Vielzahl behauptet und gleichzeitig sagt, dass man nicht in sie hineinschauen kann, muss als theoretischer Ballast gewertet werden. Natürlich gibt es auch Versuche, dieses Gegenargument zu widerlegen. Der Physiker David Deutsch hat in einer Arbeit schon 1985 die Idee entwickelt, dass geschlossenen zeitartige Weltlinien Tore in die Everettwelten eröffnen. Im Gedankenexperiment entwirft er das Modell eines Superquantencomputers, der die unglaubliche Fähigkeit besitzt Photographien aus parallelen Welten zu anzufertigen. Die mögliche Kommunikation zwischen den parallelen Universen, die sich durch Quantenprozesse aufsplittern, führt letztlich auf die Existenz einer funktionierenden Zeitmaschine. Auch hier muss erwähnt werden, dass führende Physiker mit dieser Interpretation der Quantenmechanik nicht übereinstimmen.

Da die Kopenhagener Deutung der Quantenphysik in vielen Dingen ebenfalls unbefriedigend ist, kann der everettsche Ansatz zumindest als gesprächsöffnender Versuch gewertet werden. Es gibt sogar einzelne Theoretiker, die diesen Versuch als nicht bizarr und verrückt genug bezeichnen, da ihrer Meinung nach die Wirklichkeit viel komplizierter strukturiert ist, als wir uns überhaupt vorstellen können.

Es ist merkwürdig, dass die Idee einer Vielzahl von fremden Universen schon in den theoretischen Modellen der Allgemeinen Relativitätstheorie auftaucht. Deuten sich hier ungeahnte Verbindungen zwischen der Relativitätstheorie und der Quantenphysik, den beiden Grundpfeilern der modernen Physik, an? Bei der Diskussion der Schwarzen Löcher wurde die Existenz fremder Universen vermutet, die durch Wurmlöcher oder Einstein-Rosen-Brücken miteinander verbunden sind. Ein rotierendes Schwarzes Loch hält sogar eine Unendlichkeit von parallelen Universen bereit, deren Existenzstatus noch weitgehend ungeklärt ist. Sind die durch Wurmlöcher erreichbaren Universen mit den Paralleluniversen der Quantentheorie identisch? In der indischen Mythologie gibt es das Bild von Indra, dem Weltenschöpfer, der die Vielzahl der Welten als Perlen in einem Netz verknüpft. Sind die Schwarzen Löcher vielleicht zentrale Knotenpunkte in einem superuniversalen Netz von parallelen Welten?

Durch die Theorie der vielen Welten ergibt sich eine elegante Möglichkeit die paradoxen Verhältnisse bei Zeitreisen zu vermeiden. Das Paradox entsteht, wenn der Zeitreisende eine Handlung in der Vergangenheit vornimmt, die seiner eigenen Lebensgeschichte und Erfahrung widerspricht. Folgt man der Viele-Welten-Theorie so entsteht mit dem Kontakt in der Vergangenheit eine neue Verzweigung des Universums. Mit dem Kontakt zu Vergangenheit des Universums bildet sich ein neues Paralleluniversum und löst das Paradox auf. Alternative Handlungsabläufe widersprechen sich nicht, wenn sie real in parallelen Universen ablaufen. Zeitreisen sind in diesem Sinne keine Reisen in einer Zeit, sondern sind Reisen in Parallelwelten. Alle zeitparadoxen Ereignisfolgen sind in der Vielzahl der Welten auflösbar.

Zeit verliert ihren Status als eine eindeutig definierte lineare Dimension. In der Viele-Welten-Theorie erscheint sie eher wie ein unendlicher Irrgarten, in dem sich die Zeitpfade verzweigen, zusammenlaufen, Kreise bilden und sich im Uferlosen verlieren. Der Weg zurück ist niemals der Weg, den man gekommen ist. In der Vollzahl der Zeiten ist eine Unermesslichkeit von bizarren Welten enthalten und umgekehrt. In Übereinstimmung mit der Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik spaltet sich das Universum in jedem Zeitpunkt in viele unterschiedliche Universen auf. Jedes Quantenereignis, das mehrere Möglichkeiten seiner Realisation besitzt, verwirklicht sie alle, allerdings in unterschiedlichen Universen.

Solche parallelen Universen werden immer dann erzeugt, wenn eine Entscheidung zu treffen ist, die theoretisch auch hätte anders ausfallen können. Wenn ein Mensch also vor der Entscheidung steht am Abend ins Kino zu gehen, oder zu Hause zu bleiben, kann er sich in einem Universum nur für eine Möglichkeit entscheiden. In einem alternative Universum ist aber auch die andere Möglichkeit realisiert. Jede Alternative zwingt das Universum, sich in Zweige aufzuteilen. Nachdem sich die Universen, bedingt durch Alternativen, aufgeteilt haben, laufen sie unabhängig und unbeeinflussbar voneinander jedes für sich vollkommen real weiter.

Das bedeutet, dass eine Beeinflussung der Vergangenheit durch einen Besucher aus der Zukunft das Universum in parallele Versionen aufteilt, so dass die Zukunft in dem abgezweigten Universum durchaus anders verlaufen kann, als in dem Universum, aus dem der Zeitreisende abgereist ist. Jedes Mal, wenn der Zeitreisende versucht seine Vergangenheit zu ändern, erzeugt er einen neuen Zweig im sich verzweigenden Baum des Superuniversums aller möglichen Welten. In Wirklichkeit handelt es sich nicht um eine Zeitreise, sondern um das Überwechseln in parallele Universen. Daher gibt es keinen logischen Zirkelschluss und das Kausalitätsprinzip wird nicht angetastet. Beim Überwechseln in einen parallelen Zeitstrom entstehen zwar Wirkungen und Informationsübertragungen aus einem Startuniversum in ein paralleles Zieluniversum hinein. Diese Einflüsse sind nicht aus Ursachen in der Vergangenheit des Zieluniversums ableitbar. Aus der Position eines Metabeobachters, der alle parallelen Universen überblickt, ist das Prinzip von Ursache und Wirkung nicht verletzt.

Mit einer tatsächlich funktionierenden Zeitreise würde allerdings die bisherige Annahme der Everett-Theorie widerlegt, dass parallele Universen nach ihrer Aufteilung unbeobachtbar und unbeeinflussbar weiterlaufen. Merkwürdig ist es schon, wenn plötzlich Wirkungen aus einer Parallelwelt hervorkommen, zu deren Ursachen wir nur wenig Zugang haben. Für unsere Großvaterbeispiel ergibt sich im Viele-Welten-Modell eine Ereignisfolge ohne irgendwelche Widersprüche.

A reist in der Zeit zurück und tötet seinen Großvater . Durch diesen Akt einer freien Entscheidung, die auch hätte anders ausfallen können, wird das Universum in Übereinstimmung mit den Quantengesetzen gezwungen, sich zu duplizieren. In der einen Version, Universum I, lebt der (böse) Großvater unbeeinträchtigt weiter, es ist das Universum, aus der A zu seiner Zeitreise aufgebrochen ist. In der anderen Version, Universum II, ist der Großvater tot. In diesem Fall wird der Großvater im Universum II auch keine Gelegenheit mehr für die Erzeugung von Nachkommen haben. Es wird in dem Universum II keine zukünftige Version A geben. In jedem Fall geht das Universum II in der Folge mit dem eingewanderten A und einem toten Großvater seinen gewohnten Gang, A ist nichts als ein Fremder, der durch welche Umstände auch immer von außerhalb in das Universum II hineingekommen ist. Im Metakosmos der parallelen Universen gibt es fast unzählige Versionen von A und seinem Großvater. Wenn A die Fähigkeit besitzt, in parallele Universen überzuwechseln, wird er möglicherweise bei einem zweiten Wechsel in ein Universum III seinen Großvater noch lebend antreffen. Auch dürfte es A nicht schwer fallen mit seinen persönlichen Variationen aus den Universen III, IV,V ... in Kontakt zu treten. Noch chaotischer wird der Sachverhalt, wenn er in das Universum XV hinüberwechselt, in dem eine andere Version seiner Selbst aus Universum XVI gerade dabei ist die Großvaterversion in Universum XV zu ermorden. Pseudoverdoppelungen dieser Art mit einer weiteren Verdoppelung der Verdoppelung sind bizarre Ereignisketten. Es fällt schwer, in dieser ungehemmten Vervielfältigung der Person irgendeinen logischen Widerspruch zu finden. In der Theorie der Vielen-Welten lässt sich auch erklären, warum bisher keine Kontakte mit Zeitreisenden bekannt sind. Die Viele-Welten-Theorie bietet eine elegante Lösung der HWZ-Behauptung an: Der Großvater kann in einer Welt nicht gleichzeitig tot und lebendig sein, es sei denn es existieren zwei verschiedene Welten. In der einen Welt ist der Großvater durch einen geheimnisvollen Fremden, der aus einer merkwürdigen Maschine gestiegen ist, getötet worden. In der anderen Welt hat sich nichts ungewöhnliches ereignet und dort lebt der Großvater lange genug, um einen Enkel zu erzeugen. Dieser Enkel erfindet eines Tages eine Maschine, die Zeitreisen ermöglichen soll. Tatsächlich ist es eine Maschine, die nicht nur Reisen in der Zeit, sondern auch Übergänge in eine Parallelwelt vermittelt. Die Ankunft der Zeitmaschine in der Vergangenheit spaltet die Welt sofort in zwei Versionen auf. In der einen Version bleibt alles beim Alten. Es gibt keinen Kontakt mit der Zukunft und keine Ankunft irgend einer Zeitmaschine oder eines mordlustigen Enkels aus der Zukunft. In der zweiten, neuen Version, die sich erst durch den Kontakt mit der Zeitmaschine entwickelt hat, tritt der Zeitreisende in ein paralleles Universum ein. Die Vergangenheit des parallelen Universums stimmt mit der des eigenen Universums überein, allerdings nur bis zu dem Moment, in dem sich das Universum in zwei Versionen aufspaltet. In dem Moment, in dem der Zeitreisende kausal auf die Vergangenheit wirkt, z.B. den Großvater erschießt, zerteilt sich das Universum. Der Zeitreisende hat das neue Paralleluniversum letzten Endes durch die Zeitreise erschaffen. In dem neuen Universum hat der Großvater keine Zukunft. Von einer Zeitmaschine aus der Zukunft können nur die Menschen erzählen, die in einer neuen Kopie unseres Universums leben. Wir, die wir uns auf dem alten Zweig bewegen, haben nie einen Kontakt mit einem Zeitreisenden erfahren. Unsere parallelen Kopien im abgezweigten Universum sind besser dran. Sie erleben den bahnbrechenden Erfolg einer Zeitmaschine. Leider können sie uns ihre Erlebnisse mit den Zeitreisenden aus der Zukunft nicht übermitteln. Aus genau diesem Grund können wir auch keinen Besuch aus irgend einer anderen Parallelwelt bekommen. Jeder Kontakt mit der Parallelwelt führt zur weiteren Aufspaltung unseres Universums.

Zumindest existieren nach dem Parallelweltkontakt zwei Universen, ein Zweig, der keine Ankunft aus der Parallelwelt enthält und ein anderer Zweig, in dem unsere Kopien mit dem Parallelwelt-Zeitreisenden einen wundersamen Informationsaustausch pflegen. Botschaften aus der Zukunft müssen daher als Botschaften aus einem anderen Universum aufgefasst werden. Wenn sie uns von einem drohenden Unheil erzählen, so sind wir durchaus in der Lage, unsere Entscheidungen so zu ändern, dass die uns vorausgesagte negative Zukunft nicht eintritt. Denn es ist ja nicht unsere Zukunft, über die wir informiert wurden, sondern die eines anderen Universums.

So könnten Besucher aus der Zukunft einen Zeitungsartikel mitbringen, in dem beschrieben wird, warum ein bestimmtes Flugzeug an einem bestimmten Tag, der in unserer Zukunft liegt, abgestürzt ist. Wir werden dadurch in die Lage versetzt, Maßnahmen zu treffen, dieses Unglück mit Erfolg zu verhindern. Dadurch wird es nicht vollständig ungeschehen gemacht. Zumindest in einem Universum hat sich dieses Unglück ereignet und durch den Kontakt über die Zeitmaschine wird nur verhindert, dass es sich auch in einem anderen Universum realisieren kann. Auch könnten uns durch die Zeitmaschine Erfindungen übermittelt werden, die unsere technische Entwicklung extrem beschleunigen. In unserem Universum würde zwar derjenige Mensch, der diese technische Errungenschaft in der Zukunft erfinden sollte, um eine reelle Chance und den Lohn seiner Studien gebracht. Der potentielle Erfinder, der noch um die Gestalt seiner Erfindung ringt, würde plötzlich vor vollendete Tatsachen gestellt. Tatsächlich aber ist diese Erfindung von einer parallelen oder auch zukünftigen Kopie seiner Person in einem anderen Universum gemacht worden.

Die Zeitreisenden erschaffen uns und das gesamte Universum neu, aber das ist nicht mehr unsere Geschichte. Wir bewegen uns auf dem alten Zweig weiter, als wäre nichts geschehen. Unsere neuen Ichs, deren Existenz vom Zeitreisenden durch quantenphysikalische Wahlentscheidungen erzeugt wurde, erleben eine Parallelwelt, in der direkte Kontakte mit einer realen Zukunft tatsächlich stattgefunden haben. Ob man in diesem Fall noch von echten Zeitreisen im Wellschen Sinne sprechen kann, erscheint in der Everett-Interpretation fraglich. Tatsächlich handelt es sich nicht um Reisen durch die vierte Dimension, die wir Zeit nennen, sondern um Reisen in parallele Universen. Parallelweltreisen lassen sich eher als Reisen in einer zusätzlichen fünften Dimension auffassen, die eine Dimension von Wahrscheinlichkeiten ist. Was wir als Zeitreise interpretieren, ist nur eine Bewegung entlang einer Wahrscheinlichkeitsachse, die mit alternativen Weltzuständen verknüpft ist.

Die everettsche Interpretation der Quantenmechanik behauptet die reale Existenz aller möglichen Welten, wenn sie nur die Gesetze der Quantenphysik respektieren. Daher muss auch die Zeitmaschine in irgendeinem Universum existieren. Einzige Voraussetzung dazu ist, dass sie logischen Gesetzen und den Gesetzen der Quantenmechanik nicht widerspricht. Ein berühmter Physiker, der sich eingehend mit den Grundlagenproblemen seiner Wissenschaft beschäftigte, hat einmal behauptet: "Alles, was möglich ist, existiert auch." Wenn die Physiker eine Zeitmaschine für möglich halten, dann garantiert die Theorie der vielen Welten die Realität der Zeitmaschine, in welchem Universum auch immer.




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