So glaubt der amerikanische Mathematiker Frank J. Tipler,  dass die Einsteinsche
Allgemeine Relativitätstheorie die reale Erzeugung von Zeitschleifen oder anomalen
Zeitverzerrungen auch im lokalen Maßstab erlaubt. Tipler orientierte sich an der
Gödelschen Lösung für die Einsteinschen Gleichungen. Im Gödelmodell rotiert das
gesamte Universum und verdreht Raum und Zeit, so dass zeitlich geschlossene
Weltlinien entstehen.
  
Tipler nutzte diese Idee und zeigte, dass für derartige Raum- und Zeitverdrehungen  nicht
notwendig ein ganzes Universum benötigt wird. Er postulierte die Existenz einer Masse, die
in starke Rotation versetzt, Raum und Zeit verwirbelt. Als Rotationskörper wählte er die
Form eines Zylinders. In seiner ursprünglichen Arbeit wies er nach, dass ein unendlich
ausgedehnter Zylinder in schneller Rotation die Lichtkegel in der Nachbarschaft so kippt,
dass  geschlossene zeitartige Kurven  entstehen.
  
  
Der exakte Nachweis, dass ein rotierender Zylinder mit endlicher Ausdehnung geschlossene
Weltlinien erzeugt, konnte nicht geführt werden. Aus den Tipler-Berechnungen lässt sich
aber die plausible Vermutung ableiten, dass schon ein Körper in der Größenordnung eines
Asteroiden genügt, um bei entsprechender Rotation die gewünschten Effekte zu erzielen.
Für diese Möglichkeit spricht, dass die gravitativen Effekte von den weit entfernten
Teilen des unendlichen Zylinders nur geringe Einwirkung auf die Bahn eines zeitreisenden
Astronauten haben. Der angenommene Modellkörper hat eine Länge von ungefähr 160 km und
einen Radius von 16 Kilometern . Dabei soll die Massendichte vergleichbar sein mit der
Superdichte eines Neutronensternes. Bei einer unglaublichen Rotationsperiode von
0.0005 Sekunden soll sich dabei die Raumzeit so stark verdrehen, dass extreme
Verzerrungen in der Zeitdimension auftreten. Im Prinzip wirkt der Zylinder wie
eine rotierende Ringsingularität.  Die Raumzeit krümmt sich um die Rotationsachse.
Um den Tiplerschen Zylinder bilden sich bei Rotation mit fast Dreiviertel der
Lichtgeschwindigkeit zwei ringförmige Bereiche aus, die durch Horizonte getrennt
sind. Für den inneren Bereich berechneten die Physiker einen negativen Zeitverlauf.
Ein kurzer Aufenthalt eines Raumschiffes in dieser Zone führt nach der Rückkehr aus dieser Zone zurück in die eigene Vergangenheit. Der zweite Bereich, der den ersten Bereich der Negativität umgibt, besitzt eine positive Zeitrichtung. Der Aufenthalt dort bedingt relativistische Zeiteffekte, d.h. die Zeit im äußeren Universum erscheint extrem beschleunigt. Erst nach der Rückkehr durch den zweiten äußeren Horizont finden sich für die Zeitreisenden in ausreichender Entfernung vom Tiplerzylinder normale Raumzeitverhältnisse . Die Berechnungen ergaben, dass Raumschiffe sich in der Nähe des Tiplerkörpers bei geeignetem Kurs um die Zeitachse herumwinden und sich dabei in der Zeitdimension frei bewegen. Bewegt sich das Raumschiff gegen die Rotationsrichtung, so gelangt es in die Vergangenheit, andernfalls reist es in die Zukunft. Beim  Verlassen eines speziellen Pfades ist es dem Raumschiff bei der Rückkehr möglich, einen Zeitpunkt zu erreichen, der direkt vor dem Zeitpunkt seines Starts liegt. Ob die ankommenden Zeitreisenden ihren startbereiten Doppelgängern möglicherweise raten, die Reise nicht anzutreten, ist eine interessante Spekulation.
  
Abb.  (Schematische Skizze der Tipleranordnung)
  
Interessant ist auch, dass eine funktionierende Zeitmaschine der Tiplerschen Art in
der Nähe der Erde nicht notwendig beliebige Reisen in die Vergangenheit erlaubt.
Zeitpunkte vor der Inbetriebnahme der Zeitmaschine sind als Zielzeit
ausgeschlossen. Reisen in die Vergangenheit sind theoretisch nur bis zu dem
Zeitpunkt möglich, an dem die Tiplersche Maschine ihre Arbeit und Existenz
begonnen hat. Die tatsächliche Konstruktion einer Tiplerschen Zeitmaschine würde
der Geschichte ein markantes Datum aufprägen. Die Geschichte teilt sich in die Zeit
vor dem Bau der Zeitmaschine, V. d. ZM und, und die Zeit nach dem Bau der
Zeitmaschine, N. d. ZM . Zeitreisen in Perioden der menschlichen Geschichte V. d.
ZM sind mit der Tiplerschen Zeitmaschine theoretisch unmöglich. Das könnte eine
Erklärung dafür sein, warum wir bisher noch keine Zeitreisenden kontaktiert haben.
   
  
Doch die entscheidende Frage wird sein, ob eine Tiplersche Zylinder-Maschine überhaupt durch
eine technisch beliebig fortgeschrittene Zivilisation realisiert werden kann. Bisher sind
kaum Zustände oder Formen von Materie bekannt, die die entstehenden Zentrifugalkräfte bei
der theoretisch geforderten Rotationsgeschwindigkeit aushalten. Immerhin muss der
Tiplerzylinder mit mindestens halber Lichtgeschwindigkeit rotieren, um die notwendigen
Effekte zu erzielen. Für die gegenwärtige Technologie ist die Beherrschung solch extremer
Zustände undenkbar. Sogenannte Tiplersche Anordnungen lassen sich eher in den astronomischen
Beobachtungen massiver, kosmischer Objekte finden. Ein 1980 (im Jahr  X  V.d. ZM) im
Krabben-Nebel entdeckter Pulsar besitzt die Rotationsperiode von 0.03 Sekunden, kommt
also dem Tiplerschen Limit recht nahe. Man rechnet damit, dass die Bestätigung der Theorien
über pathologische Raumzeitverwerfungen durch astronomische Beobachtungen und Existenznachweise
nicht mehr fern ist. Es gibt auch Überlegungen, wie eine Tiplersche Anordnung in der lokalen
Nähe der Erde konstruierbar ist. Dazu begibt sich ein Raumschiff in das Innere eines kleinen
Asteroiden. Durch Verstärkung der bestehenden Rotation bildet sich eine ringförmige
Singularität aus. Danach bleibt nur die Hoffnung, dass es dem Raumschiff irgendwie gelingt,
entlang einer geschlossenen Zeitkurve schnell genug in den Raum der Zielzeit überzuwechseln,
bevor es von ungeheuren Gezeitenkräften zerstört wird.
 
  
In den Diskussionen zum Tipler-Zylinder wurden Zweifel laut, die von Energiebetrachtungen und
Materialproblemen ausgingen. So versuchte der Physiker N.J.Charlton  nachzuweisen, dass
Energieabstrahlung des Tiplersystems die Rotation unter den kritischen Wert
dämpft, so dass keine Kausalitätsverletzungen auftreten können. Weitere Gegenargumente
zeigten, dass kein bekanntes Material oder irgend eine bisher bekannte Zustandsform von
Materie in der Lage wäre,  den bei der ungeheuren Rotationsgeschwindigkeit auftretenden
Zentrifugalkräften zu widerstehen. Außerdem ist die technische Beherrschung kosmischer
Objekte wie rotierenden Asteroiden noch jenseits der vorhersehbaren Entwicklungen der
nahen Zukunft.  Selbst wenn die Theorie Tipler-Zylinder im planetaren Maßstab erlaubt,
ist deren Kontrollierbarkeit mit der Handhabung von ungeheuren Energiemengen verbunden,
weit jenseits aller technischen Spekulationen unserer heutigen Zeit. Begründet durch die
zuletzt genannten Argumente ist der Tiplerzylinder keine allzu realistische Option für
Zeitreisen.
  
Originalpublikation: 
Tipler, Frank (1974). "Rotating Cylinders and the Possibility of Global Causality Violation". Physical Review D 9 (8): 2203–2206
  
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