Eine zweite Möglichkeit für lokale Zeitreisen mittels Transformation in eine andere
Zustandsform zeigt sich in den Überlegungen zu Tachyonen. Die Tachyonen sind hypothetische
Teilchen, die sich mit Überlichtgeschwindigkeit bewegen. Wie wir heute wissen, steht die
Spezielle Relativitätstheorie nicht im Widerspruch zur Existenz von tachyonischer Materie.
Mit dem Existenznachweis von überlichtschnellen Teilchen, den Tachyonen, und dem Nachweis
von Wechselwirkungseffekten mit gewöhnlicher Materie wäre die Möglichkeit der
Informationsübertragung aus der Gegenwart in die Vergangenheit möglich.
  
Nach Einstein misst ein bewegter Beobachter für die Laufzeit eines Signals eine
kürzere Zeitdauer als ein ruhender Beobachter.  Wir nehmen beispielsweise an,
dass ein auf der Erde ruhender Beobachter ein Signal mit der Geschwindigkeit v(S)
abschickt.
Ferner stellt der ruhende Beobachter fest, dass das Signal bis zu seinem Zielort die Zeitspanne
dt   benötigt.  Bewegt sich z.B. ein zweiter Beobachter in Bezug auf die Erde mit der halber
Lichtgeschwindigkeit v(B)= 0.5c , dann misst dieser zweite Beobachter eine andere Dauer  dt*
für die Übertragung des Signals. Nach Einstein besteht zwischen den beiden Zeitintervallen dt
und  dt*  der einfache mathematische Zusammenhang:
  
dt*  =  ß * dt * Quadratwurzel(( 1- ((v(B)*v(S))2/c2))
  
Dabei bedeutet c die Lichtgeschwindigkeit und ß ein positiver Faktor. Ist das Produkt
aus Signalgeschwindigkeit und Beobachtergeschwindigkeit größer als c2 dann wird das
Intervall dt* negativ. Für den Fall, dass v(S) gleich der 5-fache Lichtgeschwindigkeit ist,
ergibt sich 
   (1)  v(S)*v(B) > c2 und  (2)  dt*  =  - 1.7 dt 
   Oder genauer gesagt, ein
Signal, das für einen ruhenden Beobachter 10 Sekunden vom Sender zum Empfänger benötigt,
kommt für den bewegten Beobachter 17  Sekunden  v o r  dem Absenden an.
  
Wie Einstein schon gesehen hat, lässt sich der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung nur
garantieren, wenn die Ausbreitung der Wirkung mit Unterlichtgeschwindigkeiten erfolgt.
Bisher haben die Physiker daher als  Grundsatz angenommen, dass die Relativitätstheorie
konsistent mit der Kausalität ist. Tachyonen nehmen aber auf diesen Grundsatz kein Rücksicht.
Ihre Weltlinien  können raumartig zueinander liegende Ereignisse verbinden.
  
Ein Tachyonenpartikel, das von einem Ereignis zu einem anderen reist, lässt sich in jedem
Fall mit einer kausalen Einflussnahme verbinden. Mit Hilfe von Tachyonen wäre es also möglich,
ein Ereignis aus der Vergangenheit so zu beeinflussen, dass es zur Umkehrung von Ursache und
Wirkung kommen kann.
  
  
Die Physiker, die das Kausalitätsprinzip für unantastbar halten, lehnen daher
Überlichtgeschwindigkeiten grundsätzlich ab. Um das Kausalprinzip zu sichern, müsste
ein weiterer Mechanismus angenommen werden, der paradoxe Wechselwirkungen verhindert. Die
meisten Physiker können sich aber nur schwer vorstellen, wie ein "tachyonisches
Verhinderungsgesetz" zur Sicherung der Kausalordnung aussehen könnte.
  
  
Ein zweites Problem ist, dass die Tachyonen jenseits der Lichtschranke immer unter sich
bleiben müssen. Und für die Physiker ist es nur schwer einzusehen, wie sie dann überhaupt
mit der normalen Materie unterhalb der Lichtbarriere wechselwirken können. Für die Partikel
unserer normalen Raumzeit ist es  im Rahmen der Relativitätstheorie unmöglich, die
Lichtbarriere zu überwinden und "tachyonisch" zu werden. Der Grund liegt in der
relativistischen Massezunahme von Teilchen bei Geschwindigkeitszunahme.
Da die Partikel bei der Annäherung an die Lichtgrenze ihre Masse kontinuierlich erhöhen,
muss für eine weitere Beschleunigung immer mehr Energie zugeführt werden. Schließlich
ist keine noch so große Energiezufuhr in der Lage, die Teilchen weiter zu beschleunigen.
Die Lichtgeschwindigkeit ist daher auch eine unüberwindliche Barriere für die Masse
  
  
Um normale Materie in den tachyonischen Zustand überzuführen, müssen also andere Grundgesetze
der Physik zu Hilfe kommen. Es ist durchaus denkbar, dass die Quantengesetze unter gewissen
Bedingungen die Durchtunnelung der Lichtbarriere gestatten. Bei quantenhaften
Energieumwandlungen kann es möglich sein, dass Partikel entstehen, die mit Beginn ihrer
Existenz bereits Überlichtgeschwindigkeit besitzen. zur Zeit existiert noch kein Modell der
Quantenphysik, in dem Überlichtgeschwindigkeiten eine Rolle spielen.
  
  
Einige Ansätze in diese Richtung wurden allerdings schon von professionellen Physikern
versucht. So hat der Kölner Physiker Günter Nimtz 1995 in einem Experiment nachgewiesen,
dass sich Signale unter bestimmten Bedingungen mit Überlichtgeschwindigkeit übertragen lassen.
Zunächst wandelte er die 40.Symphonie Mozarts in Mikrowellen um.  Er schickte diese Wellen
auf zwei  unterschiedlichen Wegen von einem Generator in einen Empfänger. Der eine Weg führte
über einen Hohlleiter, der Mikrowellen leitet. Im anderen Zweig  wurden die Mikrowellen durch
ein Rohr geschickt, eine scheinbar undurchdringliche Barriere. Als überraschendes Resultat
ergab sich, dass die Signale durch den "Rohrtunnel" schneller als durch die Luft liefen.
Dabei kam Nimtz auf mehr als die 4.7-fache Lichtgeschwindigkeit.
  
Als Erklärungsversuch  bot sich der physikalische Tunneleffekt an. Dieser wurde erstmals
1926 von dem Physiker Erwin Schrödinger beschrieben. Prallt eine Masse subatomarer Teilchen
auf eine feste Barriere, so durchdringt ein kleiner Prozentsatz diese Barriere, ohne sie zu
beschädigen. Oder anders ausgedrückt, in seltenen Fällen können Elementarteilchen eine
Energiebarriere auch dann überwinden, wenn ihre Energie dazu eigentlich nicht ausreicht.
Auch der amerikanische Physiker Raymond Chiao hat bereits ein Überlichtexperiment erfolgreich
durchgeführt. Im gelang es in einem ähnlichen Versuch, einzelne Photonen mit
Überlichtgeschwindigkeit zu tunneln. Allerdings behauptet Raymond Chiao, dass sich reale
Informationen so nicht mit Überlichtgeschwindigkeit übertragen lassen. Seither streiten
sich die führenden Physiker um die richtige Interpretation der Nimtz-Chiao-Experimente.
Eine interessante Frage ist, ob die Teilchen sich im Tunnel in "tachyonische" Partikel
umwandeln, um nach ihrem Austritt wieder normal zu werden.
 
  
Trotz vielfältiger Bemühungen der Wissenschaftler sind die Aussichten für eine erfolgreiche
Physik tachyonischer Prozesse eher ungewiss. Der theoretische und praktische Zugang zu einer
Überwelt der tachyonischen Materie ist zur Zeit noch nicht verboten, aber die Physiker haben
große methodische und experimentelle Probleme, die hypothetische Welt jenseits der Lichtmauer
nachzuweisen. Der Physiker Feinberg hat starke theoretische Gründe genannt, warum ein Tachyonendetektor keine
Informationen aus der Zukunft erhalten kann. Wenn es Wechselwirkungen mit Tachyonen geben sollte, dann sind
es solche, die die Standardkausalität nicht verletzen. Das Funktionieren einer Zeitmaschine aus tachyonischer
Materie bleibt zur Zeit leider nur eine hoffnungslos unrealistische Spekulation. Die meisten aktiven
Physiker halten die Idee von der Durchtunnelung der Lichtmauer für eine theoretische Spielerei, wenn sie
überhaupt etwas davon halten. Ein berühmter Physiker soll einmal gesagt haben, dass die
Existenz von Einhörnern höher einzustufen ist als die Realität von Tachyonen.
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