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Kapitel 10:

Jenseits der Lichtbarriere: Tachyonische Dimensionen


Eine zweite Möglichkeit für lokale Zeitreisen mittels Transformation in eine andere Zustandsform zeigt sich in den Überlegungen zu Tachyonen. Die Tachyonen sind hypothetische Teilchen, die sich mit Überlichtgeschwindigkeit bewegen. Wie wir heute wissen, steht die Spezielle Relativitätstheorie nicht im Widerspruch zur Existenz von tachyonischer Materie. Mit dem Existenznachweis von überlichtschnellen Teilchen, den Tachyonen, und dem Nachweis von Wechselwirkungseffekten mit gewöhnlicher Materie wäre die Möglichkeit der Informationsübertragung aus der Gegenwart in die Vergangenheit möglich.

Nach Einstein misst ein bewegter Beobachter für die Laufzeit eines Signals eine kürzere Zeitdauer als ein ruhender Beobachter. Wir nehmen beispielsweise an, dass ein auf der Erde ruhender Beobachter ein Signal mit der Geschwindigkeit v(S) abschickt. Ferner stellt der ruhende Beobachter fest, dass das Signal bis zu seinem Zielort die Zeitspanne dt benötigt. Bewegt sich z.B. ein zweiter Beobachter in Bezug auf die Erde mit der halber Lichtgeschwindigkeit v(B)= 0.5c , dann misst dieser zweite Beobachter eine andere Dauer dt* für die Übertragung des Signals. Nach Einstein besteht zwischen den beiden Zeitintervallen dt und dt* der einfache mathematische Zusammenhang:

dt* = ß * dt * Quadratwurzel(( 1- ((v(B)*v(S))2/c2))

Dabei bedeutet c die Lichtgeschwindigkeit und ß ein positiver Faktor. Ist das Produkt aus Signalgeschwindigkeit und Beobachtergeschwindigkeit größer als c2 dann wird das Intervall dt* negativ. Für den Fall, dass v(S) gleich der 5-fache Lichtgeschwindigkeit ist, ergibt sich

(1) v(S)*v(B) > c2 und
(2) dt* = - 1.7 dt

Oder genauer gesagt, ein Signal, das für einen ruhenden Beobachter 10 Sekunden vom Sender zum Empfänger benötigt, kommt für den bewegten Beobachter 17 Sekunden v o r dem Absenden an.

Wie Einstein schon gesehen hat, lässt sich der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung nur garantieren, wenn die Ausbreitung der Wirkung mit Unterlichtgeschwindigkeiten erfolgt. Bisher haben die Physiker daher als Grundsatz angenommen, dass die Relativitätstheorie konsistent mit der Kausalität ist. Tachyonen nehmen aber auf diesen Grundsatz kein Rücksicht. Ihre Weltlinien können raumartig zueinander liegende Ereignisse verbinden.

Ein Tachyonenpartikel, das von einem Ereignis zu einem anderen reist, lässt sich in jedem Fall mit einer kausalen Einflussnahme verbinden. Mit Hilfe von Tachyonen wäre es also möglich, ein Ereignis aus der Vergangenheit so zu beeinflussen, dass es zur Umkehrung von Ursache und Wirkung kommen kann.

Die Physiker, die das Kausalitätsprinzip für unantastbar halten, lehnen daher Überlichtgeschwindigkeiten grundsätzlich ab. Um das Kausalprinzip zu sichern, müsste ein weiterer Mechanismus angenommen werden, der paradoxe Wechselwirkungen verhindert. Die meisten Physiker können sich aber nur schwer vorstellen, wie ein "tachyonisches Verhinderungsgesetz" zur Sicherung der Kausalordnung aussehen könnte.

Ein zweites Problem ist, dass die Tachyonen jenseits der Lichtschranke immer unter sich bleiben müssen. Und für die Physiker ist es nur schwer einzusehen, wie sie dann überhaupt mit der normalen Materie unterhalb der Lichtbarriere wechselwirken können. Für die Partikel unserer normalen Raumzeit ist es im Rahmen der Relativitätstheorie unmöglich, die Lichtbarriere zu überwinden und "tachyonisch" zu werden. Der Grund liegt in der relativistischen Massezunahme von Teilchen bei Geschwindigkeitszunahme. Da die Partikel bei der Annäherung an die Lichtgrenze ihre Masse kontinuierlich erhöhen, muss für eine weitere Beschleunigung immer mehr Energie zugeführt werden. Schließlich ist keine noch so große Energiezufuhr in der Lage, die Teilchen weiter zu beschleunigen. Die Lichtgeschwindigkeit ist daher auch eine unüberwindliche Barriere für die Masse

Um normale Materie in den tachyonischen Zustand überzuführen, müssen also andere Grundgesetze der Physik zu Hilfe kommen. Es ist durchaus denkbar, dass die Quantengesetze unter gewissen Bedingungen die Durchtunnelung der Lichtbarriere gestatten. Bei quantenhaften Energieumwandlungen kann es möglich sein, dass Partikel entstehen, die mit Beginn ihrer Existenz bereits Überlichtgeschwindigkeit besitzen. zur Zeit existiert noch kein Modell der Quantenphysik, in dem Überlichtgeschwindigkeiten eine Rolle spielen.

Einige Ansätze in diese Richtung wurden allerdings schon von professionellen Physikern versucht. So hat der Kölner Physiker Günter Nimtz 1995 in einem Experiment nachgewiesen, dass sich Signale unter bestimmten Bedingungen mit Überlichtgeschwindigkeit übertragen lassen. Zunächst wandelte er die 40.Symphonie Mozarts in Mikrowellen um. Er schickte diese Wellen auf zwei unterschiedlichen Wegen von einem Generator in einen Empfänger. Der eine Weg führte über einen Hohlleiter, der Mikrowellen leitet. Im anderen Zweig wurden die Mikrowellen durch ein Rohr geschickt, eine scheinbar undurchdringliche Barriere. Als überraschendes Resultat ergab sich, dass die Signale durch den "Rohrtunnel" schneller als durch die Luft liefen. Dabei kam Nimtz auf mehr als die 4.7-fache Lichtgeschwindigkeit.

Als Erklärungsversuch bot sich der physikalische Tunneleffekt an. Dieser wurde erstmals 1926 von dem Physiker Erwin Schrödinger beschrieben. Prallt eine Masse subatomarer Teilchen auf eine feste Barriere, so durchdringt ein kleiner Prozentsatz diese Barriere, ohne sie zu beschädigen. Oder anders ausgedrückt, in seltenen Fällen können Elementarteilchen eine Energiebarriere auch dann überwinden, wenn ihre Energie dazu eigentlich nicht ausreicht. Auch der amerikanische Physiker Raymond Chiao hat bereits ein Überlichtexperiment erfolgreich durchgeführt. Im gelang es in einem ähnlichen Versuch, einzelne Photonen mit Überlichtgeschwindigkeit zu tunneln. Allerdings behauptet Raymond Chiao, dass sich reale Informationen so nicht mit Überlichtgeschwindigkeit übertragen lassen. Seither streiten sich die führenden Physiker um die richtige Interpretation der Nimtz-Chiao-Experimente. Eine interessante Frage ist, ob die Teilchen sich im Tunnel in "tachyonische" Partikel umwandeln, um nach ihrem Austritt wieder normal zu werden.

Trotz vielfältiger Bemühungen der Wissenschaftler sind die Aussichten für eine erfolgreiche Physik tachyonischer Prozesse eher ungewiss. Der theoretische und praktische Zugang zu einer Überwelt der tachyonischen Materie ist zur Zeit noch nicht verboten, aber die Physiker haben große methodische und experimentelle Probleme, die hypothetische Welt jenseits der Lichtmauer nachzuweisen. Der Physiker Feinberg hat starke theoretische Gründe genannt, warum ein Tachyonendetektor keine Informationen aus der Zukunft erhalten kann. Wenn es Wechselwirkungen mit Tachyonen geben sollte, dann sind es solche, die die Standardkausalität nicht verletzen. Das Funktionieren einer Zeitmaschine aus tachyonischer Materie bleibt zur Zeit leider nur eine hoffnungslos unrealistische Spekulation. Die meisten aktiven Physiker halten die Idee von der Durchtunnelung der Lichtmauer für eine theoretische Spielerei, wenn sie überhaupt etwas davon halten. Ein berühmter Physiker soll einmal gesagt haben, dass die Existenz von Einhörnern höher einzustufen ist als die Realität von Tachyonen.




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